Synopsis

 

 

Herausforderungen und Chancen der sozial-ökologischen Transformation der Energiebranche zur Arbeitsplatzsicherung

20.3.2025 bis 22.3.2025 in Plovdiv/Bulgarien

 

 

Vom 20. bis 22. März 2025 fand in Plovdiv / Bulgarien ein Seminar zum Thema Herausforderungen und Chancen der sozial-ökologischen Transformation der Energiebranche zur Arbeitsplatzsicherung statt. Es wurde organisiert von NBH (Nell-Breuning-Haus) in Zusammenarbeit mit EZA und finanziert durch die Europäische Union.

Teilnehmer*innen aus Bulgarien, Montenegro, Nordmazedonien, Rumänien, Deutschland sammeln gewerkschaftliche Positionen zum Green Deal, Impulse, Konzepte, Standpunkte, Status Quo-Informationen und Transformationsbeispiele.

Die TeilnehmerInnen kommen aus Gewerkschaften, Arbeitgeber, Ingenieurwesen Umwelt, ArbeitnehmerInnenorganisationen, weltlichen und katholischen Bildungseinrichtungen der Arbeitnehmer*Innenbewegung.

 

 

Die wichtigsten Aspekte des Seminars

- Seit einiger Zeit ist Dynamik in das Konzept des Europäischen Green Deal gekommen. Es wird in der Europäischen Kommission von einer Rekalibrierung des Vorhabens gesprochen. Es existiert eine relative Ernüchterung zum Green Deal. Vor allem in den Kohlerevieren von Bulgarien. Hier geht es um zirka 100.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze.

- Die aktuelle US-Regierung strebt eine Wiederaufnahme fossiler Energieträger an und ist aus dem Klimaschutzabkommen ausgetreten. Das verleitet einen Teil der gewerkschaftlichen Vertreter aus Bulgarien dazu, sich dieser Forcierung der Kohleverstromung anzuschließen oder zumindest eine Verlängerung der Betriebszeiten zu bewirken. Das deutsche Beispiel der umfassenden Akzeptanz der Dekarbonisierung hin zu erneuerbaren Energieträgern wird sehr skeptisch gesehen. Die Angst vor weiterer politischer und gesellschaftlicher Destabilisierung ist in Bulgarien zu groß.

- Dennoch gibt es gleichzeitig gewerkschaftliche Vertreter aus den Balkanstaaten, die sich eindeutig für die Transformation einsetzen.

- Vor allem ist in den südost- und osteuropäischen Bevölkerungen das Bewusstsein für diese sozial-ökologische Transformation und Dekarbonisierung noch nicht sehr entwickelt.

- Der Dialog zwischen den Sozialpartner und der Politik ist sehr schleppend.

- Gleichzeitig stellen die Unternehmensvertreter der Kohle- und Kraftwerksregion Maritza Iztok Pläne zum Ausstieg aus fossiler Energiegewinnung vor und sehen im Green Deal großes Zukunftspotential für Wirtschaft, Gesellschaft und Arbeitsplätze.

- Nach wie vor verhindert und verlangsamt das ökonomisches Ungleichgewicht in den EU-Ländern den ökologischen Wandel mit sozialem und menschlichen Antlitz.

 

Gerade jetzt ist dieses Seminar von Wichtigkeit

Die Zeit drängt. Multiple Krisen wie neue Kriege, Umwelt- und Klimakatastrophen, Endglobalisierung, geopolitische Neuordnungen führen zu sozialen und gesellschaftliche Spannungen.

Nach wie vor scheint es so zu sein, dass es im Rahmen des Europäischen Green Deal unterschiedliche Geschwindigkeiten der Transformation gibt. In Osteuropa ist der Wandel langsamer.

In dieser Entwicklung stehen Arbeitsplätze, Unternehmen, Sozialpartner und das politische Gefüge unter einem erheblichen Druck.

Die Gewerkschaften in den Balkenländer streben zwar an, das Bewusstsein der Menschen für Umweltschutz, Klimawandel, Green Deal zu wecken. In der Realität findet dies aber nicht statt.

Auch ein Konsens zwischen Teilen der Gewerkschaft und Politik ist nicht vorhanden.

 

Veselin Mitov (PODGREPA) betont in diesem vierten und damit letzten Seminar zum Thema die Dringlichkeit der sozial-ökologischen Transformation und bei allen Schwierigkeiten vor allem die Chancen für die Zukunft, die in diesem Wandel hin zu einer umweltfreundlichen Lebensweise und Arbeitswelt liegt.

Ivan Stoyanov (Deputy Mayor Plovdiv) beschreibt Plovdiv als eine der großen ökonomischen Zentren von Bulgarien. Industrie, Handwerk, Dienstleistung, Handel haben sich in großer Zahl angesiedelt. Die Energie wird von dem naheliegenden Kohlerevier Maritza Iztok bereit gestellt. Plovdiv ist daher unmittelbar von der Energiewende betroffen. In Plovdiv wird – da wo es geht – die Kohleverbrennung in den den Haushalten ausgetauscht. So konnte auf EU-Strafverfahren wegen der Luftverschmutzung reagiert werden. Aber es gibt auch Widerstand. Insgesamt ist die Region für ökologisches Leben und Arbeiten nicht bereit.

Nurdzhan Karadzhova (Deputy Regional Covernor Plovdiv) erkennt im Green Deal eine neue Strategie für mehr Wachstum in Europa. Er muss aber auch auf die jeweiligen Regionen angepasst werden. Nur so können die betreffenden Regionen den Strukturwandel bestehen und Arbeitsplätze erhalten werden, denn jeder Mensch hat das Recht auf einen Arbeitsplatz und gute soziale Verhältnisse.

Rainer Rißmayer (NBH) erwähnt die lange Steinkohlegeschichte der Region Aachen, die bereits seit 20 Jahren abgeschlossen ist. Ein erster Strukturwandel ist daher auch abgeschlossen. Trotzdem befindet sich Region im Transformationsprozess weg von der Braunkohle und den noch aktiven Kraftwerken hin zu grünen Energieformen wie Wind, Photovoltaik, Wasserstoff und der Renaturierung der Landschaftsräume. Dieser Strukturwandel ist nicht einfach, denn es gibt auch in dieser Region Kontroversen. Aber es besteht ein gesellschaftlicher Konsens zwischen Bürgerschaft, Politik und Unternehmen für den Green Deal.

Atanas Krastev (PODKREPA) postuliert, dass das zweitgrößte Kraftwerk geschlossen werden musste, weil Bulgarien den Green Deal unterschrieben hat. 400 Menschen sind arbeitslos geworden. Das Argument der Europäischen Kommission, dass der Green Deal für die Zukunft der Kinder ein besseres, gesünderes Leben ermöglicht, ist nicht sehr überzeugend. Die Menschen in Bulgarien sind wegen dieser radikalen Maßnahme der Abschaltung sehr negativ eingestellt. Natürlich ist der generelle Weg richtig, aber die Maßnahmen sind schädlich für die Menschen. Sonne, Wind und Wasserstoff können Kohle und Atom zwar ersetzen – aber das liegt in einer fernen Zukunft. Wir vernichten Ressourcen und bauen Solaranlagen auf fruchtbaren Ackerboden. Das erhöht die Strompreise für alle. Es ist nicht rentabel. Wenn die Transformation in Bulgarien in diesem Tempo weiter geht, dann wird es zu weiteren Krisen in den Regionen führen.

 

Themenfelder des Seminars

Nicole Kolster (Zukunftsagentur Rheinisches Revier GmbH) erklärt, dass die Transformation nicht nur im Rheinischen Revier stattfindet, sondern ebenso im Helmstätter Revier, im Mitteldeutschen Revier und im Lausitzer Revier. Das Rheinische Revier besteht aus 7 Gebietskörperschaften und der Stadt Mönchengladbach. In diesem Revier leben 2,5 Milllionen Menschen. Die Zukunftsagentur koordiniert und bündelt die Fördermittel und Ideen. Zum Beispiel der freiwillige ‚Gigawatt-Pakt‘ der Kommunen und Landkreise zum Ausbau der alternativen Energien von 5 Gigawatt bis 2028 mit einem eigenen Förderprogramm.

Miladin Sekulić (UFTUM)

Montenegro als kleines Land mit begrenzten Finanzen hat einen Transformationsplan – in den die Gewerkschaften nicht einbezogen werden. Energie wird über 1 Kohlebergbauunternehmen und ein Kraftwerk erzeugt. Zur Zeit werden technische Modernisierungen vorgenommen, um weniger Kohle zu verbrauchen und die Kosten zu senken. Gleichzeitig finden Umschulungsmaßnahmen statt, um auf neue Berufsfelder vorzubereiten.und unternimmt große Anstrengungen, um eine Transformation zu meistern. Und es kann nur geschlossen werden, wenn es zuvor alternative Energieformen gibt und dadurch neue Arbeitsplätze entstehen.

Dipl.Ing. Aleksandar Zagorov (PODKREPA) und Dimitar Chalakov (PODKREPA)

Fossile Energieträger können nur abgestellt werden, wenn es neue Energieträger gibt. Bulgarien braucht bessere Gesetze und mehr Finanzen, um die Transformation zu meistern. Der Europäische Green Deal korrespondiert leider nicht mit den nationalen Bedürfnissen von Bulgarien. Es sind zwar zirka 12000 MW Solarenergie teilweise realisiert. Aber das muss dem Menschen dienen. Strompreise müssen dann sinken. Denn Maritsa Itztok II wurde geschlossen, weil die Emissionen und Strompreise zu hoch. Die Arbeitslosenzahl war hoch. Das ist kein Wandel. Die Menschen sehen im Green Deal eher eine Bedrohung als eine Chance.

Gewerkschafts- und Managementvertreter (Maritsa Iztok Mining Complex Headquarter) stellen ihre Roadmap zum Green Deal vor. Sie zeigen die unternehmerische Abkehr von der fossilen Energieversorgung für das Jahr 2038. Ein großes Umschulungs- und Bildungsprogramm auf neue Arbeitsplätze garantiert den Weiterbetrieb des Unternehmens mit Solarenergie, Wind, Wasserstoff.

Hochrechnungen zeigen die Steigerung der alternativen Energieerzeugung für die nächsten Jahrzehnte und zeigen sich als profitabel. Für diese Transformation setzt das Unternehmen zirka 200 Millionen Euro ein. Die bereits erschöpften Abbaugebiete werden bereits von Umweltschäden befreit. Die gleichzeitige Renaturierung ist bis 2029 abgeschlossen. Nur umweltfreundliche Energieformen wird den sozialen, ökologischen und ökonomischen Status der Menschen garantieren.

Alin Munteanu (CNS Carte l Alfa) will den nationalen Transformationsplan Rumäniens ändern. Der sieht eine Schließung des Kohleabbaus für Ende 2025 vor. So soll der Ausstieg auf 2030 verschoben werden und dies mit der EU verhandelt werden. Ab 2030 können dann die geplanten

Gaswerke die Stromerzeugung übernehmen.

Vladimir Topalov (PODKREPA) fragt, warum in Bulgarien die Meinung zum Green Deal gespalten ist. Das ist ein politisches Thema, denn die Grüne Partei ist nicht kompetent genug, um Fürsprecher für den Transformationsprozess sein zu können. Insgesamt sind die politischen Kreise in Bulgarien für die mangelnde Durchsetzung des Green Deal verantwortlich. Die stromerzeugenden Unternehmen müssten verstaatlicht werden – um den Transformationsprozess

beschleunigen zu können.

Slobodan Antovski (UNASM) aus Nordmazedonien ist für die Umsetzung des Green Deal. 3 kleine Bergwerke und Kraftwerke könnten geschlossen werden. Nordmazedonien vollzieht bereits den Umbau zu alternativen Energieformen. Leider sind wir immer noch nicht Teil der Europäischen Union. Die Europäische Union gibt uns keine klaren Vorgaben und Plan zum Green Deal. Der würde die Mitgliedschaft beschleunigen. Hingegen soll die Ukraine schnell in die EU. Die Menschen neigen immer mehr zum Euroskeptizismus.

 

Erkenntnisse / Konsequenzen

- Die Energiefrage ist der Kern der europäischen Zukunft.

- Die Energiefrage ist abhängig von regionalen Aspekten und Lebensräumen.

- Das deutsche Transformationsmodell ist nur begrenzt übertragbar – der gesellschaftliche Konsens ist einmalig.

- Soziale Sicherheit und Stabilität stehen immer unter dem Schirm der Klimaveränderung.

- Die Meinung und das Handeln der osteuropäischen Gewerkschaften ist sehr gespalten: Teile lehnen den Green Deal unter den jetzigen Bedingungen ab und fordern eine gerechtere Behandlung der finanziell schwächeren Länder – ihr sozialer Dialog – auch mit der Politik - findet nur begrenzt statt.

- Ein anderer Teil der Gewerkschaften ist um Dialog, Ausgleich, sozialen Fortschritt im Rahmen der Dekarbonisierung gewillt und sieht den Europäischen Green Deal als positive Idee für eine gute Zukunft der Menschen.

- Die Braunkohle fördernden und stromerzeugenden Unternehmen hingegen sehen das Ende der fossilen Energieerzeugung positiv und leiten mit hohen finanziellen Eigenmitteln und EU-Fördergelten die Transformation voran. Dabei haben sie auch die Sicherung der Arbeitskräfte im Blick (Beispiel Maritsa Iztok Mining Complex Bulgarien).

- Die aktuelle US-Politik verleitet irrigerweise zu einem Wiedereinstieg in fossile Energieerzeugung.

- Gewerkschaften müssen auch mit den Vertretern der Europäischen Union Gespräche führen wollen.

- Der Status quo ist durch eine beginnende Endglobalisierung gekennzeichnet. Das hat auch Auswirkungen auf Green Deal, den sozialen Zusammenhalt, die Arbeitsplätze der Zukunft.

- Es reicht nicht, aus alten Technologien auszusteigen. Transformation muss Arbeitsplätze in den Blick nehmen.

- Transformation darf nicht alleine der privaten Wirtschaft überlassen werden. Staatliche oder halbstaatliche Organisationen sind wichtig und müssen die Menschen an den Entwicklungsprozessen beteiligen und anhören.

- Die Gewerkschaften in den Balkanstaaten müssen die Menschen viel mehr davon überzeugen – dass der Green Deal eine Chance für den Arbeitsplatzerhalt und einen besseren sozialen Status ist. Denn die Entwicklung lässt sich infolge des Klimawandels und der Auswirkungen nicht mehr aufhalten.

- Und sie müssen auch untereinander kontroverse Meinungen in positives Handeln für einen Wandel entwickeln.

- Trotz oder gerade wegen der unterschiedlichen gewerkschaftlichen Standpunkte zum Transformationsprozess des Europäischen Green Deal sind weitere soziale Dialoge geboten. Der ambitionierte Transformationsprozess kann nur gelingen, wenn die Menschen von ihrer Wichtigkeit überzeugt sind und keine Angst für der Zukunft haben.