Synopsis

 

 

„Fit für 55“ – wie kann der Klima-Sozialfonds

Wirtschaftswachstum fördern und grüne Arbeitsplätze schaffen?

28.8.2024 bis 1.9.2024 in Baia Mare und Sighetu, Rumänien

 

 

„Fit für 55“ – dies beschreibt das Ziel der EU, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % zu senken. Ein Baustein der Strategie „Fit für 55“ ist die Einrichtung des Klima-Sozialfonds. Der Klima-Sozialfonds soll von den Mitgliedstaaten unter anderem genutzt werden, um Maßnahmen und Investitionen zur Unterstützung finanziell schwächerer (Kleinst-)Unternehmen zu finanzieren und ihnen dabei zu helfen, die preislichen Auswirkungen eines Emissionshandelssystems für Gebäude, den Straßenverkehr und weitere Sektoren zu bewältigen.x)

x) Erster Absatz: Text von Rainer Rißmayer

 

 

Zirka 40 Teilnehmer*innen aus Belgien, Deutschland, Montenegro, Bulgarien, Rumänien sammelten gewerkschaftlichen Positionen zum Green Deal Impulse, Konzepte, Standpunkte, Status Quo-Informationen und Transformationsbeispiele.

Die TeilnehmerInnen kommen aus Gewerkschaften, ArbeitnehmerInnenorganisationen, weltlichen und katholischen Bildungseinrichtungen der Arbeitnehmer*Innenbewegung.

 

 

Die wichtigsten Aspekte des Seminars

Nach wie vor gilt:

- Nach wie vor verhindert und verlangsamt das ökonomisches Ungleichgewicht in den EU-Ländern den ökologischen Wandel mit sozialem und menschlichen Antlitz.

Dieses Ungleichgewicht betrifft vor allem die südost- und osteuropäischen Nationen.

- Vor allem dort ist in den Bevölkerungen das Bewusstsein für diese sozial-ökonomische Transformation noch nicht sehr entwickelt. Auch wenn sich die Situation verbessert. Was durch die diesjährige Dürre in Rumänien und Bulgarien befördert wird.

- Der Dialog zwischen den Sozialpartner und der Politik ist vor allem in den südöstlichen EU-Nationen entwickelt sich sehr schleppend.

- Die sozialen Partner stehen in der Verantwortung, den Strukturwandel in besonders gefährdeten Region der EU sozial zu gestalten und die Menschen nicht im Stich zu lassen.

- Die Gewerkschaften in den südöstlichen EU-Ländern und der Balkenländer sind nach wie vor bemüht, das Bewusstsein der Menschen für Umweltschutz, Klimawandel zu wecken.

 

 

Gerade jetzt ist dieses Seminar von Wichtigkeit

Der Fortschritt ist eine Schnecke. Bedingt durch multiple Krisen und Änderungen wie neue Kriege, Migrationsbewegungen, Endglobalisierungen, Umwelt- und Klimakatastrophen, soziale und gesellschaftliche Spannungen. Der europäische Green Deal soll den ökologischen Umbau der EU-Staaten unterstützen und beschleunigen. Es scheint so so sein, dass es im Rahmen des Europäischen Green Deal unterschiedliche Geschwindigkeiten der Transformation gibt. In Osteuropa ist der Wandel langsamer.

In dieser Entwicklung stehen Arbeitsplätze, Unternehmen, Sozialpartner und das politische Gefüge unter einem erheblichen Druck.

 

 

In den Grußworten von Silviu Ispas (IFAS), Veselin Mitov (PODGREPA), Jochen Mettlen (CSC), Rainer Rißmayer (NBH) betonen abermals die Dringlichkeit der sozial-ökologischen Transformation und bei allen Schwierigkeiten vor allem die Chancen für die Zukunft, die in diesem Wandel hin zu einer umweltfreundlichen Lebensweise und Arbeitswelt liegt. Zum Hauptthema gesellten sich diesmal auch Polizeigewerkschaften aus Rumänien, Deutschland, Montenegro, um über die internationale Zusammenarbeit im Hinblick auf Grenzkontrollen, Status Quo, Klimawandel und Migration vorzustellen. Es sei auch erstmals wichtig, das nördliche Rumänien (Maramures) durch Besichtigungen und Exkursionen kennen zu lernen, um die Situation in diesem Land besser verstehen zu können.

 

 

Themenfelder des Seminars

Manfred Maresch (Büroleiter Revierbüro Bedburg, Deutschland) referiert zum Rheinischen Revier.

In Ostdeutschland gibt es das Lausitzer und das Mitteldeutsche Kohlerevier, in Westdeutschland gibt es das Rheinische Revier. Zur Zeit sind noch zirka 8000 Menschen im Rheinischen Revier beschäftigt. Rund 50.000 Menschen sind in den energieintensiven Industrien beschäftigt. Gelingt diesen Unternehmen der Umstieg auf erneuerbaren Energien nicht, so sind diese Arbeitsplätze vom Wegfall bedroht. Das ist ein weitaus größeres Problem als der Kohleausstieg an sich. Die Gewerkschaften werden von uns mit Informationen jeglicher Art versorgt, um ihnen vor Ort mit den Menschen und den Unternehmen zu ermöglichen, Lösungen zu finden, damit die Transformation ohne Arbeitsplatzverlust und unter Wahrung der sozialen Standards gelingt. Unser Ziel ist es, die Beteiligung an der die Transformation in den Betrieben sichtbar zu machen, die Beteiligung und die Demokratie stärken,Schärfung der strategischen Ziele der Gewerkschaften.

 

Dr. Manfred Körber (NBH) stellte in zwei Video-Interviews und einem Video zum Rheinischen Revier Beispiele zur Transformation vor. Der Rückbau der ehemaligen Steinkohlezeche Carolus Magnus in Übach-Palenberg dauerte zirka 30 Jahre. Heute steht nur noch das Hauptverwaltungsgebäude. Es beherbergt das Carolus Magnus Center. In ihm haben sich neue Firmen und startups eingefunden und neue Arbeitsplätze geschaffen. Auch außerhalb des Geländes siedelten sich neue Firmen an, die für Ersatzarbeitsplätze aus den Steinkohlebergbau sorgten. Aus den ehemaligen Abraumhalden sind grüne Naherholungsgebiete und der Wasserturm wurde als Industriedenkmal erhalten.

Das Rheinische Revier macht große Veränderungen durch. Transformationsbeispiele sind der Blausteinsee als großes Naherholungsgebiet mit Sport-, Bade- und Gastronomiebereichen, die Planung neuer Seenlandschaften und Renaturierungen für Freizeit und Tourismus, Schaffung des Solarparks in Herzogenrath, Parks und Gastronomie in Hambach. Zuständig sind u.a. eine „Allianz für Transformation“ und die „Zukunftsagentur Rheinisches Revier“ mit zahlreichen Transformationen. Zum Beispiel „Euregio H2 Center“, „Battery Launch Center NRW“ oder „Schophoven – Städtebauliche Entwicklung“.

 

Florin Hossu (Rumänische Gewerkschaft Cartel Alfa Marmures) über rumänische Transformation.

Ein negatives Beispiel: In der Maramures gibt es Kupfer, Gold und andere edle und seltene Metalle. Der Abbau war für die Bergbaufirmen sehr profitabel. Veraltete Bergbauanlagen wurden schrittweise schon 1996 mit der Hilfe der Gewerkschaften geschlossen. Die Regierung hatte zwar Vorteile versprochen, hielt sich aber nicht daran. Die EU hat diese Bergwerke nicht geschlossen. Sie untersagte aber die Subvention – bis heute. Eine Bergbaufirma musste daher Kosten sparen und baute Gold mit der Hilfe von Cyanid im Tagebau ab. Im Jahre 2000 gab es eine große Umweltkatastrophe. Das Cyanid-Wasser wurde als hochgiftiger Abfall in so genannte Absetzbecken geleitet. Mittlerweile ist das Grundwasser und die nähere Umgebung vollkommen vergiftet und zerstört. Eine große Umweltkatastrophe. Zur Zeit herrscht im Maramures Dürre. Es bildet sich verseuchter Staub, der in bewohnte gebiete getragen wird und gesundheitsgefährdend ist. Die Stilllegung der Bergwerke und Absetzbecken hat nicht professionell stattgefunden. Viele Arbeitsplätze sind verloren gegangen. Das Umweltproblem ist bis heute nicht gelöst. Heutige Bergwerke in Rumänien sollten nur geschlossen werden, wenn es andere Arbeitsplätze gibt.

 

Dr. Gusat Dorel (Universität Nord Baia Mare, Rumänien) spricht sich für eine Art Bergbau 2.0 in Rumänien aus. In Maramures gibt es 38 Elemente, die im Rahmen eines neuen Bergbaus geschürft werden könnten. Darunter Gold, Kupfer, Gallium, Aluminium, Nickel, Lithium. Und dies kann durch den Einsatz von neuen Technologien umweltfreundlich geschehen. Wichtig ist die Rohstoffgewinnung, Verwertung und die Produktion von Endprodukten aus diesen Stoffen. Das sichert Arbeitsplätze in diesem Bereich. Durch Ausbildung und Umschulung der Bergbauarbeitskräfte und Ausbildung für neue Berufe könnten weitere Arbeitsplätze geschaffen werden. Auch in den Absetzbecken befinden sich seltene Erden. Nach ihrer Gewinnung können Umweltschäden beseitigt werden und die Natur geheilt werden. Für diese Transformation müssen die Finanzierung geklärt werden, neue eigene Technologien entwickelt werden, die Menschen vor Ort mitgenommen werden und eigene Patente vorhanden sein – um die Abhängigkeit von den Rohstoffweltmärkten zu erreichen. Allerdings muss die Regierung alle Informationen über diese Umweltkatastrophe freigeben, was sie zur Zeit per Gesetz verboten hat. Dennoch gibt es keinen Grund, mit dieser Transformation zu beginnen und eine breite Diskussion anzustoßen.

 

Ioan Bud (Go green Resources Association, Baia Mare) berichtet zur Lebensqualität und ihr Umfeld.

Zuerst geht es um Entwicklung und erst dann um den Umweltschutz. Denn Entwicklung von Technologie, Verfahren und auch die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins für eine ökologische Wende wird fast zwangsläufig den Umweltschutz zentrieren. Findet dies nicht statt, so ist das Umfeld schlecht, die sozialen Standards sinken, es herrscht Frustration, sogar Gleichgültigkeit und die Lebensqualität verschlechtert sich. Ein Beispiel ist die Verschmutzung von zwei Flüssen in Rumänien. Wenn es eine Organisation oder Firma gegeben hätte, die diese Verschmutzung überwacht, wären beide Flüsse sauber. Da es sie nicht gab, siegte die Gleichgültigkeit.

 

Miladin Sekulić (UFTUM, Montenegro) und Dipl.Ing. Aleksandar Zagorov (PODKREPA; Bulgarien) geben Impulse zum Thema.

Montenegro ist ein kleines Land und unternimmt große Anstrengungen, um eine Transformation zu meistern. Die Energie wird hauptsächlich über ein Bergbauunterhemmen bereitgestellt. Und es kann nur geschlossen werden, wenn es zuvor alternative Energieformen gibt und dadurch neue Arbeitsplätze entstehen.

Neue Projekte machen nur Sinn, wenn es private Investoren gibt, Erfahrung und Finanzmittel aus der EU. Die Regierung hat 8 Million Euro für den Einbau neue Energieformen bereit gestellt.

In Bulgarien sind die Bergwerke sehr wichtig. Die Unterbrechung des Bergbaus verletzt die Nachhaltigkeit. Der Staat soll 120 Million Euro in die Gewerkschaften investieren, um den Bergbaugebiete nachhaltig zu gestalten und den Menschen bessere soziale Chancen zu ermöglichen. Diese Umgestaltungen müssen in Verbindung mit Europäischen Projekten gestaltet werden. Bezogen auf den Green Deal haben die Gewerkschaften den Regierungen dabei geholten, keine Fehler zu machen. Wenn also Bergwerke still gelegt wurden, haben wir dafür gesorgt, das Personal weiter zu bilden und in neue Berufe zu vermitteln.

 

Silviu Palagi (Gewerkschaft der Grenzpolizei Maramures und IPA, Rumänien), Arsenije Miketic (UFTUM, Montenegro) und Michael Mertens (stellv. Bundesvorsitzender GdP, Deutschland) schildern die Situation an den Grenzen.

Die Grenzbehörden von Rumänien haben eine ständige Kommunikationslinie mit den Grenzbehörden der Ukraine. Gemeinsam überwachen sie auch den grenznahen Luftraum.

Montenegro ist ein klassisches Urlaubsland geworden. Die Grenzkontrollen sind reibungslos. Eine neu entstandene Gewerkschaft beklagt jedoch den zunehmenden Mangel an Personal, die zu geringe Bezahlung und mangelnde Ausstattung mit berufsnotwendigem Equipment.

Der Klimawandel und die Energiewende ist auch für die deutsche Polizei ein großes Thema. Bei einer Naturkatastrophe wie zum Beispiel im Ahrtal ist die Energieversorgung nicht mehr möglich. Es besteht ein so genannter Power Cut. Polizeikräfte können nicht mehr kommunizieren. Klimawandel und Transformation belasten zur Zeit die Gesellschaft. Es bestehen Zukunftsängste und Angst vor Abseitsplatzverlust. Bei den daraus entstehenden sozialen Spannungen steht auch die Polizei im Mittelpunkt der Ereignisse. Außerdem könnten die heutigen politischen Flüchtlinge durch die zukünftigen Klimaflüchtlinge verdrängt werden. Als Teil der Gesellschaft setzt sich die Polizei auch mit der zukünftigen eigenen E-Mobilität auseinander.

 

 

Bei einem Besuch mit Kriegsflüchtlingen in Aspa de Jos/Ukraine konnten sich einige Teilnehmenden des Seminars über die Situation der Menschen und des Landes einen Eindruck verschaffen.

 

Der Besuch der Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus in Sighetu Marmatei zeigte eindrücklich, wie freiheitsliebende Menschen ihres Lebens beraubt wurden. Darunter auch viele GewerkschaftsvertreterInnen.

 

Der Besuch im der Flotation und des Absetzbeckens Bozanta der REMSI SA zeigt, wie gedankenloser Bergbau die Umwelt auf Jahre zerstören und die Lebensqualität der Menschen schädigen.

 

 

Erkenntnisse / Konsequenzen

- Es herrscht Dürre in Rumänien und Bulgarien. Die Menschen müssen dringend ihr Verhalten verändern und ihr Bewusstsein für den Klimawandel schärfen.

- Der Wechsel zu grünen Jobs muss sozial verträglich sein

- Der Soziale Dialog ist das zentrale Thema im Rahmen von Green Deal.

- Die Transformation ist auch in Belgien ernüchternd. Ein 2015 beschlossener Ausstieg aus der Atomkraft wurde zurückgenommen. Die belgischen Regierungen haben bis heute zu wenig getan, um für regenerative Energieformen zu werben.

- Wir sind am Ende einer ökologischen, ökonomischen und politischen Ära. Es gibt einen zweiten geopolitischen Block östlich der EU. Auch Demokratie ist in Gefahr.

- Der Status quo ist durch eine beginnende Endglobalisierung gekennzeichnet. Das hat auch Auswirkungen auf Green Deal, den sozialen Zusammenhalt, die Arbeitsplätze der Zukunft.

- Was „Fit for 55“ angeht, muss die Frage gestellt werden, ob der Kapitalismus Grün sein kann.

- Inwieweit kann der Kapitalismus die ökologischen, sozialen und politischen Krisen der Gegenwart lösen.

- Arbeitsbedingungen haben Einfluss darauf, wie Demokratie erlebt und gelebt wird. – Die Gefahr nationalsozialistischer Politik und autokratischer Staatsformen nimmt auch durch die Angst vor Arbeitsplatzvernichtung und soziale Spannungen im Rahmen des Green Deal, dem Klimawandel, der Migration, den ökonomischen Veränderungen zu.

- der Green Deal verspricht viele tausende neue Arbeitsplätze. Dafür bedarf es in Osteuropa viel mehr Investitionen in alle Bereiche. Alleine – dieser Wunsch muss in Brüssel auch gehört werden.

- Eine zentrale Frage bleibt bisher unbeantwortet: Kann der Kapitalismus Grün werden.

. Der Temperaturanstieg ist in EU doppelt so hoch wie im Rest der Welt. Die Häuser müssen nicht nur gewärmt sondern auch gekühlt werden. die Energiepreise müssen sinken, um dies möglich zu machen. Die Sozialpartner verfügen aber über alle Möglichkeiten – um die negativen Auswirkungen des Klimawandels in eine positive Richtung zu lenken.

- Es reicht nicht, aus alten Technologien auszusteigen. Transformation muss Arbeitsplätze in den Blick nehmen.

Transformation darf nicht alleine der privaten Wirtschaft überlassen werden. Staatliche oder halbstaatliche Organisationen sind wichtig und müssen die Menschen an den Entwicklungsprozessen beteiligen und anhören.

- Die Gewerkschaften haben zunehmend eine wichtige Rolle bei der Gestaltung von Zukunftswegen.

- Die Gewerkschaften – müssen viel mehr Bewusstseinsarbeit in den Unternehmen leisten, um klar zu machen, das es kein Zurück in alte Zeiten gibt. Der Klimawandel bleibt und eine Transformation ist alternativlos.

- Für die Gewerkschaften ist dieser Strukturwandel ein Novum, weil dieser Wandel im entstehen ist.

 

 

Es ist geplant – im Jahre 2025 ein weiteres Seminar zum Thema „Europäischer Green Deal“ in Bulgarien auszurichten.

 

 

 

Text von Axel Gauster. © 2024 Axel Gauster/Nell-Breuning-Haus