Synopsis

 

„Gesunde Arbeitsplätze im Zeitalter der Digitalisierung ermöglichen“

3.9.2025 bis 5.9.2025 bis 22.3.2025 in Bilbao/Spanien

 

 

Vom 3. bis 5. September 2025 fand in Bilbao/Spanien ein Seminar zum Thema Gesunde Arbeitsplätze im Zeitalter der Digitalisierung ermöglichen statt. Es wurde organisiert von NBH (Nell-Breuning-Haus) in enger Zusammenarbeit mit EU-OSHA: Die EZA ist offizieller Kampagnenpartner für sicheres und gesundes Arbeiten im digitalen Zeitalter. Das Seminar wurde finanziert durch die Europäische Union.

Zirka 45 Teilnehmende aus Bulgarien, Rumänien, Slowakische Republik, Serbien, Belgien, Spanien, Deutschland sammelten Informationen zum strategischen Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2021-2027 und erhielten Einblicke in die verschiedenen EU-OSHA - Kampagnen zu den Themen Digitalisierung, künstliche Intelligenz und arbeitsbedingte, gesundheitliche und psychosoziale Risiken. Die Teilnehmenden vertraten Gewerkschaften, weltlichen und katholischen Bildungseinrichtungen der Arbeitnehmer*Innenbewegung, Forschung zur Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.

 

Die wichtigsten Aspekte des Seminars

Sichere und gesunde Arbeitsplätze sind immer schon ein zentraler Aspekt im sozialen Dialog. Das betrifft die wichtigen Aspekte die Ausgewogenheit zwischen Arbeit und Freizeit, körperliche Unversehrtheit am Arbeitsplatz, psychosoziale Belastungen am Arbeitsort und in der privaten Lebenswelt, Ausgrenzung und Isolation im kompletten, gesellschaftlichen Zusammenhang. Im Zeitalter der rasanten Digitalisierung und durch KI-durchdringende Aspekte in Beruf, Freizeit, Gesellschaft entstehen zunehmend neue Gesundheitsrisiken für Arbeitsplätze, die weit über den Arbeitsort hinausreichen. Die Abhängigkeit von digital gesteuerten Prozessen führt zusätzlich zu einer neuen Vereinsamung in den vielfältigen Lebens- und Arbeitsbereichen. Neben diesen Aspekten gilt jedoch auch die Möglichkeit, dass die Digitalisierung und KI-Entwicklung Chancen bereithält, um Arbeitsplätze gesund zu halten. Zum Beispiel durch die Entlastungen von körperlich schwerer Arbeit, durch das Lösen komplexer, auch intellektueller Aufgaben oder durch den Einsatz in Medizin und medizinischer Diagnostik. Dabei ist vor allem die Kontrolle durch den Menschen ein wichtiger Grundaspekt. Die EU-OSHA stellt wichtige Kampagnen, Forschungsberichte, Erhebungen, Ergebnisse zur Digitalisierung, Robotik und KI vor.

 

Gerade jetzt ist dieses Seminar von Wichtigkeit

Die Digitalisierung durchdringt alle Lebensbereiche. Die Künstliche Intelligenz (KI) beschleunigt diese Entwicklung rasant. Während die Ökonomie längst ihr Wirtschaften und Handeln der Digitalisierung angepasst hat, in Europa und global hohe Profite erzielt – auch zum Nachteil der arbeitenden Menschen, haben die Arbeitnehmer*Innenorganisationen einen Nachholbedarf im Erkennen und Handeln für angepasste Arbeits- und Tarifverträge bezüglich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Natürlich gibt es den strategischen Rahmen 2021-2027 der Europäischen Union für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, aber diese müssen von den Sozialpartnern auch umgesetzt werden und werden können. Die EU hat den Sozialen Dialog leider an die Zweite Stelle ihres politischen Handelns gesetzt. Es drängt also die Zeit.

 

Themenfelder des Seminars

Dr. Dietmar Elsler (EU-OSHSA). Beispiele: "Vision Zero" im Arbeitsschutz. Ein Konzept zur Schaffung einer Welt ohne Arbeitsunfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen, mit höchster Priorität auf die Vermeidung von Todesfällen und schweren Verletzungen. Dies soll durch die Förderung einer umfassenden Präventionskultur und Implementierung von Maßnahmen, die Betriebe auf dem Weg zu mehr Sicherheit unterstützen. Im Jahr 2017 hat die Internationale Vereinigung für soziale Sicherheit (IVSS) die Vision Zero Präventionsstrategie als globalen Ansatz übernommen. 7 Ziele: Führung leben, Gefahr erkannt – Gefahr gebannt, Ziele definieren – Programm aufstellen, gut organisiert – mit System, Maschinen, Technik, Anlagen – sicher und gesund, Wissen schafft Sicherheit, Motivieren durch Beteiligung.

Der Essener Bericht 2024 über neue Risiken zum Beispiel ist eine großer Fragebogen auch zu digitalen Geräten am Arbeitsplatz in der EU: PC, Notebook, Tablet, Smartwatch zur Steuerung für Maschinen, Robotik und KI. 2019 wurden Diese Technologien zu 4 % eingesetzt. 2024 waren es bereits 25 %. Dadurch entstehen psychosoziale Probleme zum Beispiel Zeitdruck durch KI, unregelmäßige Arbeitszeit durch Homeoffice oder Plattformarbeit und dadurch steigende Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Im so genannten Bologna-Konzept haben die Arbeitnehmer*Innen-Vertretende mit den lokalen Lieferdiensten und der Stadt Bologna ein Abkommen geschlossen, um Ausbeutung zu verhindern, Ruhezeiten und transparente Arbeitszeiten zu garantieren und die KI verständlich zu halten.

 

Jose Ignacio Argote (CEAT Spanien) erklärt, dass Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmenden ein Grundpfeiler ist im Rahmen der Europäischen Arbeits- und Sozialrechts. Die im Jahr 1989 verabschiedete europäische Rahmenrichtlinie über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (Richtlinie 89/391/EWG) stellte einen wichtigen Meilenstein zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit dar. Mit dieser Richtlinie wurden für ganz Europa geltende Mindestanforderungen für Sicherheit und Gesundheitsschutz. Leider hat es seitens der EU keinen großen Fortschritt für besseren Arbeits- und Sozialschutz gegeben.

Silviu Ispas (IFES Rumänien) betont, das zwar die Lage der Arbeitsschutzgesetze, Regulierungen etc. in den Staaten der EU gut ist und die EU-Richtlinie auch von allen Ländern umgesetzt ist, aber weder die Arbeitsunfälle und berufsbedingten Erkrankungen noch die Kosten für Therapien nicht gesunken sind.

Vibe Westh (EU-OSHA). In der EU-OSHA Unternehmenserhebung 2019-2024 (ESENER) zu Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz haben alle 45.000 befragten EU-Unternehmen betont, digitale Tools zu verwenden. Die Einführung dieser Tools und die psychosozialen Risiken (Arbeitsbelastung, Angst vor Arbeitsplatzverlust, Augen- und Rückenschmerzen, digitales Mobbing, Gewalt auch durch Dritte wie Kunden, Patienten) werden auch mit zirka 25 % der Beschäftigen besprochen. Die Aufgabe der EU-OSHA als europäische Behörde ist es, die psychosoziale Gesundheit am Arbeitsplatz zu unterstützen durch Infos und Handlungsempfehlungen. Dabei müssen Unternehmen (Management) und die Beschäftigten transparent Risiken erkennen und Prävention betreiben.

Ioannis Anyfantis (EU-OSHA). In Europa werden zirka 5 % der Automationen, Maschinen und Roboter durch KI gesteuert. 3 % von ihnen interagieren mit den Beschäftigten. Beispiele sind maschinen- und werkzeugherstellende Unternehmen. Interaktion findet unter Verwendung von 3D-Brillen statt. Zwischen 2022 und 2024 wurden alleine in der Europäischen Automobilindustrie 23.000 zusätzliche Roboter neu eingesetzt. Digitalisierung und KI kann auch entlastend wirken. Zum Beispiel: In einer Holzfabrik werden die einzelnen Bretter durch eine digitale Maschine geschnitten. Die Kontrolle und Steuerung erfolgt aus einem Büro heraus. Lärm, Staub, Schmutz sind ausgeschlossen. Dadurch wird der Arbeitsplatz auch für junge Leute wieder attraktiv.

Annick Starren (EU-OSHA) berichtet über die Smart-Monitoring-Systeme für die Überwachung von Gesundheit und Gefahren. So werden mobile KI-Sensoren verwendet, um Lärm, Staub, Chemikalien, Sauerstoffgehalt zum Beispiel zu überprüfen und Gefahren für Leib und Leben abzuwenden. Auch Smarte Brillen, Smartphone-Apps, Drohnen, Kameras helfen Gefahren zu verhindern. Wichtig ist die Datensicherheit. Es muss gewährleistet sein, das Beschäftige nicht personalisiert und in ihrer Arbeitsleistung überwacht werden können. Gleichzeitig muss die Transparenz der Daten und Empfehlungen bestehen bleiben. Pilotprojekte sollen mit den Beschäftigten die Smart-Monitoring-Systeme testen und ihre Erfahrungen/Nutzen besprechen können.

Martiniano Blázquez Hernández (CEAT Spanien) bemerkt, dass Bilbao eine Stadt mit dem höchsten Pro Kopf Einkommen ist und als Vorbild für Ökologie und neue Technologien für ganz Spanien gilt. Behörden, Schulen, Gewerkschaften, Gesellschaft arbeiten sehr gut zusammen. Dies ist eine Voraussetzung, um gesunde und sichere Arbeitsplätze im Digitalen Zeitalter anzubieten. Es gibt das spanische Gesetz „Recht auf Abschaltung“, eine Art ‚Digitale Fiesta‘.

Doc. Ing. L’ubica Černá PhD (NKOS Slowakische Republik) betont, dass die Vereinzelung der Beschäftigen in der Slowakischen Republik zunimmt. Es gibt Scheinselbständigkeit im Homeoffice. Sie genießen keinerlei Arbeits- und Sozialschutz und kennen nicht das Recht auf Unerreichbarkeit. Das erhöht ihre psychosoziale Gefährdung enorm. Der Arbeitsschutzstrategie 2021-2027 der Slowakischen Republik zielt auf die genaue Erhebung zum Arbeitsschutz mit dem Namen „Save Enterprises“. Ein zweites Programm „Verantwortungsvolle Arbeitgeber“ soll die ArbeitgeberInnen dabei helfen, ein gutes Personalmanagement zu realisieren. Die digitale Überwachung ist ein großes Thema und soll im Rahmen von „Save Enterprises“ kontrollierbar gemacht werden.

Marian Apostol (Cartel Alfa Rumänien) stellt fest, dass Homeoffice in Rumänien ein großes Thema ist. Wobei die hybride Arbeit bevorzugt wird. Also Teilweise im Telearbeit und teilweise im Unternehmen. Homeofficer sind zwischen 25 und 35 Jahre alt. Zirka 50 % der rumänischen Bevölkerung wohnt in überbelegten Wohnungen. Homeoffice it daher sehr schwierig. Und sorgt für psychosozialen Stress und Erkrankungen. Klare Arbeitserträge und gute technische Ausstattung sind nicht gegeben.

Veselin Mitov (PODKREPA Bulgarien) Ein Gesetz für das Recht auf Abschaltung ist in Bulgarien in Kraft. Der Sozialrat verabschiedet ein Programm für Digitalisierung, Neugründungen, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Weiterbildung zum Thema. Endlich werden auch alle Regelungen mit den Gewerkschaften besprochen.

Mara Erdelj (RS BOFOS Serbien) spricht über den ‚human touch‘. Lächelnd durch die Welt gehen, Bewegung, Sport, Tanzen, Musik werden von BOFOS seit Jahrzehnten organisiert. Auch Aufklärung über Muskel-Skelet-Erkrankungen und psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz durch Digitalisierung. wird regelmäßig betrieben. Seit 23 Jahren organisiere sie auch eine Sportveranstaltung für ihre Mitglieder.

María José Rodriguez Ramos (Uni Sevilla) Man soll keine Angst vor neuen Entwicklungen haben. Die gibt es seit Jahrhunderten. Die Digitalisierung ist nach und nach entstanden. Auch neue Beschäftigungsfelder. Die Einführung von KI verändert aber die Beteiligung von Beschäftigen und Arbeitnehmer-Vertretungen in ihrem Dialog mit den Unternehmen. Daher ist es wesentlich für die Gewerkschaften, über Risiken und KI zu informieren. So haben zum Beispiel ältere Menschen Schwierigkeiten, sich den neuen Technologien anzupassen. Dennoch Digitalisierung zunehmend auch positive Eigenschaften wie medizinische Forschung und Diagnostik oder in der Alten- und Krankenpflege.

Cesar Rodríguez Pérez (CEAT Spanien) befürchtet, das das lebenslange Lernen heutzutage durch KI übernommen wird uns so die Menschen auf die ‚Erkenntnisse‘ der KI angewiesen sein werden. Arbeitsplatzverlust könnte folgen. Darauf müssen die Gewerkschaften Kontrolle ausüben. Auch die Gewerkschaften unterliegen der Digitalisierung und müssen Kompetenzen entwickeln.

Florin Hossu (Cartel Alfa Maramures Rumänien) ist jedoch für das lebenslange Lernen. KI und Digitaliserung soll den Beschäftigten nur die schweren Arbeitsprozesse abnehmen. Langfristig führt diese Entwicklungen jedoch zu gesundheitlichen Plroblemen wie Rötelnerkrankungen, Rückenproblemen und Herz-Keislauf-Verschlechterungen. Das betrifft nicht nur Erwachsene. Daher sollte das Recht auf Abschaltung auch für Kinder gelten.

 

Erkenntnisse / Konsequenzen

Die Digitaliserung und die KI können ein Geschenk sein. Aber auch ein trojanisches Pferd. Die Kontrolle durch die Sozialpartner – vor allem durch die Gewerkschaften ist dringend geboten. Die Gewerkschaften ihrerseits haben einen enormen Nachholbedarf, um Digitalisierung und KI zu verstehen und sinnvoll in neue Gesetze, Tarifverträge für Entgelt, Arbeits- und Gesundheitsschatz wandeln zu können. Und sie müssen ihre eigene Organisation fit machen für die neuen Technologien. Für die Gewerkschaftsvertreter ist das Seminar zum Thema sehr wichtig und erkenntnisreich – weil sie an den aktuellen Kampagnen, Ergebnisse und Empfehlungen der EU-OSHA teilhaben konnten und dies in ihre eigene Arbeit umsetzen wird. Die Veröffentlichungen der EU-OSHA auf ihren Web-Plattformen bieten darüber hinaus einen großen Fundus für gewerkschaftliches Handeln im sozialen Dialog und gegenseitigen Austausch. Die Vertiefung des Themas in zukünftigen Seminaren stößt auf großes Interesse. Die EU-Staaten sind sehr vielfältig, aber alle stehen vor den gleichen Herausforderungen bezüglich Digitaliserung und KI. Insgesamt stehen die Gewerkschaften diesen neuen Entwicklungen positiv gegenüber. Sie sehen ganz deutlich die negativen Entwicklungen aber auch besonders die guten Chancen für die arbeitenden Menschen. Es geht ihnen vor allem um den Menschen. Der steht im Mittelpunkt. Er kann den Wandel kontrollieren und positiv beeinflussen. Think positiv.

 

 

Text von Axel Gauster. © 2025 Axel Gauster/Nell-Breuning-Haus