URHEBERRECHTLICHER HINWEIS

Die Sendemanuskripte sind urheberrechtlich geschützt und dürfen vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig.

© Axel Gauster/Nell-Breuning-Haus

 

Radio/Videofeature SendemanuskriptInterview Joseph Thouvenel

Radiofeature SendemanuskriptInterview Veselin Mitov

Radiofeature SendemanuskriptInterview Silviu Ispas

Radiofeature SendemanuskriptInterview Florin Hossu

Radiofeature SendemanuskriptInterview Dr. Manfred Körber

Radiofeature SendemanuskriptInterview Ludovic Voet

 

 

 

Interview Joseph Thouvenel

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© Axel Gauster/Nell-Breuning-Haus

 

 

Sende-Manuskript  (Journalist und Autor: Axel Gauster)

Interview (Videofeature, gebaut) mit Joseph Thouvenel

in Arles/Frankreich 25. August 2022

 

Sprecher

Sie haben von Gewerkschaft und Green Deal gesprochen. Klimawandel und Gewerkschaft. Und das nur die Fakten

zählen. Und man soll das Prinzip Vorsicht beachten. Können sie mir dafür ein Beispiel nennen.

Joseph Thouvenel

Ja. Ich kann mehr als ein Beispiel nennen. Es gibt heute einen Klimawandel. Das ist ganz klar und deutlich. Das sieht man auch in der landwirtschaftlichen Produktion. Die Weinlese zum Beispiel wurde hier für drei Wochen vorgezogen. Im Vergleich zu den Vorjahren. Es gibt also eine Erderwärmung. Die Frage ist: Was sind die Gründe? Es hat immer Erderwärmungen gegeben. Unter Ludwig IV zum Beispiel. Was damals unwichtig war, ist heute eine große Veränderung. Die Eisdecken in der Antarktis zum Beispiel sind zum Teil geschmolzen. Sie ist weniger dick als vor vielen Jahren. Andere Fachleute sagen – und das stimmt wohl auch – das ihre Eisfläche größer geworden ist. Bei diesen Ideologien stört, dass uns nicht gesagt wird, dass die Eisdecken zwar schmelzen, aber die Eisflächen sind vergrößert haben. Das ist das Problem bei diesen Informationen. Man kann sich keine korrekte Meinung bilden. Man braucht aber sämtliche Elemente von Fakten, damit sich die Menschen eine Meinung bilden können. Alle Informationen müssen im Dienste des Menschen fließen. Und das vergessen die Ideologen.

Sprecher

Ideologen zum Klimawandel verunsichern die Menschen. Anpassung oder nicht. Wann und wie umfangreich muss

das geschehen. Und die Arbeitswelt ist ganz besonders betroffen.

Joseph Thouvenel

Arbeitende Menschen sind im christlichen Sinne, in der christlichen Welt diejenigen, die sich einbringen für ein Gemeinwohl. Alle tragen dazu bei. Auch die Unternehmer und Unternehmerinnen selbst tragen dazu bei. Wir sind alle betroffen von der Zukunft des Planeten. Jeder Mensch muss sich um seine Umwelt kümmern. Und das sollte ein normales Verhalten sein. Schon den Kindern muss gesagt werden, dass man die Umwelt respektiert. Man wirft eben keinen Müll in die Natur. Sondern man schützt die Erde vor Verschmutzung. Ganz egal, welche Situation vorherrscht. Darüber hinaus müssen wir alle unserem Konsum verändern: Weniger Wasser verbrauchen zum Beispiel. Und Fragen stellen: Sind wirklich alle von uns benutzen digitalen Tools notwendig? Was bringen digitale Spiele der Entwicklung der Menschen? Verbrauchen wir genauso viel Energie, wenn wir ein Buch aus Papier lesen oder ein Tablet nutzen? Da brauchen wir nachhaltige Veränderungen. Als Gewerkschafter sage ich: Wir müssen aufpassen, das die arbeitenden Menschen nicht Opfer den Green Deal werden. Viele gut ausgebildete Menschen verlassen die osteuropäischen Länder und gehen in den Westen. Wie können sich diese Länder also weiter entwickeln, wenn zum Beispiel ein Kohleförderwerk oder ein Atomkraftwerk geschlossen wird? Ja, dann gibt es für die Menschen keine neue Arbeit und sie gehen weg. Es müssen also zuerst Lösungen gefunden werden, um diesen Menschen ihre soziale Teilhabe zu sichern.

Sprecher

Alternative Stromenergien und klimaneutrale Wärmetechnik kosten viel Geld. Müssen die Menschen nicht höhere

Einkommen haben, um sich diesen Wandel auch mittragen zu können?

Joseph Thouvenel

Die Arbeit muss aufgewertet werden. Arbeit hat einen Preis. Und dieser Preis muss dann auch gerecht sein. Und dabei spielt die Globalisierung eine große Rolle. Heute braucht man zum Beispiel in Frankreich 80 Prozent des Kobalt für E-Autobatterien. Und dieser Rohstoff kommt aus dem Kongo. Und 40.000 Kinder arbeiten in diesen Kobaltgruben. Ein zusätzlicher Euro für eine E-Autobatterie würde es ermöglichen, diese Kinder in die Schule zu schicken. Außerdem müssen wir schlecht bezahlte Berufe aufwerten. Das gilt auch für die Menschen, die auf anderen Kontinenten zu schlechten Arbeitsbedingungen unsere Produkte herstellen. Da sollten wir es ablehnen, diese Produkte zu kaufen, so lange es dort keine guten sozialen Standards gibt. Das Ziel der Globalisierung und der Europäischen Wirtschaft muss es sein, weltweite soziale, steuerliche und ökologische Mindeststandards zu haben, die überall gelten. Globalisierung ist das, was wir daraus machen.

Sprecher

Ihnen ist schon klar, dass der Weg hin zur Klimaneutralität ein langer ist. Für Unternehmen, Gewerkschaften,

Länder, für die Menschen. Und es gibt unterschiedliche Geschwindigkeiten des Wandels.

Joseph Thouvenel

Jeder Transformationsprozess braucht Zeit. Um verstanden zu werden, um akzeptiert zu werden, um umgesetzt zu werden. Und das ist nicht neu. Denn die Entwicklung muss permanent sein. Nichts darf statisch sein. Die Menschen entwickeln sich. Und die Situationen entwickeln sich. Anpassungsfähigkeit braucht Intelligenz. Und diese Intelligenz hat ja der Mensch. Der Wandel darf aber nicht von heute auf morgen geschehen. Man kann von dem Menschen nicht verlangen, seine Einsichten und Handlungen von quasi gleich auf jetzt zu verändern. Leider gibt es die Tendenz bei vielen Regierungen, ganze Gesellschaften mit der Angst vor der Klimakatastrophe zu regieren. Man sagt, wenn ihr

nicht schnell genug handelt, dann wird es in 20 oder 30 Jahren ganz schlimm sein mit unserem Klima. Das macht dann Panik. Besser wäre es, die positiven und zuversichtlichen Kräfte in den Menschen anzusprechen. Und dafür möchte ich ein Beispiel nennen. Im 19. Jahrhundert hat ein britischer Gelehrter eine Rechnung zur Stadt London angestellt. Er sagte: Mit der Zunahme der Bevölkerung und des Straßenverkehrs der von den Pferden gezogenen Kutschen wird man sich zum Beginn des 20. Jahrhunderts in London nicht mehr bewegen können. Es wird zu viele Pferde und zu viel Pferdemist auf den Straßen geben. Mathematisch war diese Rechnung zwar korrekt. Aber man hatte vergessen, die technische Entwicklung zu berücksichtigen. Denn die Pferde wurden zunehmend durch Automobile ersetzt. Das heißt wir kennen nicht immer die Elemente der Zukunft. Und als christlicher Gewerkschafter habe ich Hoffnung. Denn die Hoffnung kann die Welt verändern.

 

 


Interview mit Veselin Mitov

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Sende-Manuskript  (Journalist und Autor: Axel Gauster)

Interview (Videofeature, gebaut) mit Veselin Mitov

in Arles/Frankreich 25. August 2022

 

Sprecher

Herr Mitov. Was ist in ihrem Land Bulgarien los? Was macht der Green Deal mit der Arbeitswelt?

 

Veselin Mitov

Zunächst einmal würde ich sagen, das eines der größten Probleme der letzten drei Jahrzehnte nach dem damaligen Sturz des kommunistischen Regimes die demographischen Systeme sind. Viele Menschen haben Bulgarien verlassen. Vor 30 Jahren waren es fast 9 Millionen Einwohner. Mittlerweile sind es nur noch zirka 7 Millionen. Diese Flucht ist nicht nur auf eine geringe Geburtenrate zurück zu führen, sondern auf den Übergangszeitraum seit dem Sturz des Kommunismus. Vor allem junge Menschen mit guter Ausbildung haben das Land verlassen, weil es im Ausland wesentlich bessere Arbeitsplätze gibt. Und das ist für uns wirklich ein großes Problem. Natürlich haben wir uns in Bulgarien in den letzten 3 Jahrzehnten politisch entwickelt. Wir sind zum Beispiel Mitglied der NATO geworden und im Jahre 2007 Mitglied der Europäischen Union. Damals waren 75 Prozent der Bevölkerung pro europäisch. Mittlerweile ist das anders. Die vielen Krisen wie zum Beispiel die Finanzkrise, die Eurokrise, der Brexit und die aktuellen Krisen haben es Bulgarien sehr schwer gemacht sich weiter zu entwickeln. Außerdem waren und sind unsere Regierungen nicht in der Lage, den Entwicklungsvorsprung anderer EU-Länder aufzuholen. Sie hinken immer hinterher. Haben die Übergange nicht bewältigt. Wir sind nach wie vor das EU-Land mit den niedrigsten Löhnen, mit niedriger wirtschaftlicher Entwicklung, mit stockendem Strukturwandel und mangelhaften Maßnahmen zum ökologischen Energiewandel. Wir waren vor 3 Jahrzehnten der größte Exporteur von Energie für den Balkan. Heute müssen wir Strom und Energie importieren. Das ist zurück zu führen auf eine schlechte Politik. Die politische Instabilität in Bulgarien ist eine Geißel – so möchte ich mich einmal ausdrücken. Im Jahre 2021 haben wir auf nationaler Ebene dreimal gewählt. Und für das Jahr 2022 steht erneut eine nationale Wahl an. Also wir sind einfach nicht in der Lage, eine stabile Regierung zu bilden, die dann auch in der Lage wäre, das Land durch diese Krisen zu führen.

 

Sprecher

Es geht hier in diesem Seminar ja um den Green Deal und die Risiken und Chancen für die Arbeitnehmerinnen und

Arbeitnehmer durch Transformation. Wo sehen denn die Gewerkschaften in ihrem Land ihre Aufgaben in diesem

Wandlungsprozess?

 

Veselin Mitov

Zirka vierzig Prozent der in Bulgarien erzeugten Energie geschieht mit der Kohle. Und aus Brüssel kommt dann folgende Botschaft: ‚Die Kohlekraftwerke müssen so schnell wie möglich geschlossen werden‘. Aber wir können natürlich nicht sofort diese Kraftwerke schließen. Das können wir uns gar nicht erlauben. Brüssel hatte dafür Verständnis und uns dann Geldmittel bereit gestellt, mit denen wir alternative Energieerzeugung aufbauen können. In der Produktion, in der Förderung. Um zum Beispiel Ausgleichszahlungen für verloren gegangene Arbeitsplätze vornehmen zu können. Es werden aber mindestens 100.000 Arbeitsplätze verloren gehen. Wir brauchen aber nicht nur Geld, sondern gute Beispiele, Innovationen und Alternativen, um umweltfreundliche Energieformen aufbauen zu können. Und wir müssen dafür sorgen, das die Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, nicht in das Ausland abwandern. Das müssen wir der Europäischen Union klar machen. Das ist auch unsere gewerkschaftliche Verantwortung. Der Green Deal ist wichtig und richtig. Wir müssen uns und den künftigen Generationen eine saubere und nachhaltige Welt hinterlassen. Aber in Bulgarien ist die Realität nun einmal eine ganz andere als in den weiter entwickelten EU-Ländern wie Frankreich oder Deutschland. Und diese andere Realität wird einfach nicht berücksichtigt. Wenn also der Wandel hin zu sauberer Energieerzeugung nicht gut geht, dann hat das auch negative Auswirkungen auf andere gesellschaftliche und wirtschaftliche Bereiche in Bulgarien. Immerhin leben zirka 30 Prozent aller Bulgarien unter dem Mindestlohn von 340 Euro pro Monat. Die Inflationsrate liegt in Bulgarien seit Jahren bei zirka 19 Prozent! Bulgarien hat die niedrigste Kaufkraft, den niedrigsten Mindestlohn, das größte Prekariat und ist das Land mit ständig zunehmender sozialen Ungleichheit.

 

 


Interview Silviu Ispas

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© Axel Gauster/Nell-Breuning-Haus

 

 

Sende-Manuskript (Journalist und Autor: Axel Gauster)

Interview (Videofeature) mit Silviu Ispas

in Arles/Frankreich 25. August 2022

 

Sprecher

In den Osteuropäischen EU-Ländern ist der Green Deal nicht so leicht zu verkraften. Das betrifft auch ihr Land Rumänien. Was ist da los?

Silviu Ispas

Das ist eine schwere Problematik. Denn wir nehmen alle diese Sachen kurzfristig war. Es geht hier um Maßnahmen, die große Auswirkungen auf alle Menschen in Rumänien haben. Sie wissen nicht, welche Auswirkungen der Green Deal auf sie hat und sie verstehen die Situationen nicht. Es fehlt an einer eindeutigen Erklärung. Es fehlt ein ernsthafter Dialog mit den Behörden. Und das macht den Menschen Angst. Es gibt Sorgen um die Zukunft. Sie sehen, wir sprechen hier in diesem Rahmen über die Zukunft, aber wir sprechen nicht über die Zukunft der Menschen. Sondern über die Zukunft nationaler Energiepolitik. Natürlich stellen wir uns die Frage, wie wir die Kohlekraftwerke ersetzen können. Was wird nach der Stilllegung dieser Kraftwerke passieren? Da gibt es keine Antworten. Und das führt die Menschen in Verzweiflung. So ist es kein Wunder, dass viele Menschen in der Gesellschaft versuchen, Veränderungen zu verzögern, die sie nicht verstehen.

Sprecher

Warum unterstützen die Regierung in Rumänien die Menschen nicht bei diesem ökologischen Umbau in zu einem nachhaltigen Leben?

Silviu Ispas

Weil die politische Klasse in Rumänien nicht erwachsen ist. Die Politiker und Politikerinnen haben ein spekulatives Verhalten. Wenn gute Nachrichten anzukündigen sind, dann sprechen sie über die Medien darüber und loben sich mit Errungenschaften, obwohl sie selbst nicht dazu beigetragen haben. Wenn es jedoch schlechte Nachrichten zu verkünden gibt, vor allem Entscheidungen, die sich negativ auf das Leben der Menschen auswirken, dann zeigen sie mit ihren Fingern nach Brüssel und machen die Europäische Kommission dafür verantwortlich. Ein anderes Problem ist die Tatsache, dass die Gesellschaft in Rumänien auch nicht erwachsen genug geworden ist. Es fehlt an einer gewissen politischen Kultur, die auch bedeutet, dass wir Politiker und Politikerinnen zur Rechenschaft ziehen. Wir glauben an unerfüllbare und unrealistische Versprechen. Wir sind geradezu durch sie betäubt. Deshalb bin ich der Meinung, dass Bildung unerlässlich ist. Bildung ist langfristig von großem Nutzen für unsere rumänische Gesellschaft.

Sprecher

Was können die Gewerkschaften in Rumänien unternehmen, um die Menschen sozial, finanziell und gesellschaftlich zu unterstützen?

Silviu Ispas

Erstens: Sie können Dialoge mit den Behörden führen. Sie können den Behörden klar machen, dass es einen echten Dialog zwischen den Sozialpartnern geben muss. Damit das, was umgesetzt werden kann, auch umgesetzt wird. Zweitens: Die Gewerkschaften können die Regierenden zur Rechenschaft ziehen. Und sie zu Gesprächen und Dialog einladen. Sie können auch ihre Mitglieder darüber informieren und ausbilden, damit sie genau wissen, welche Erwartungen sie gegenüber der Politik haben können und wie sie Politiker und Politikerinnen bewerten können, wenn es dazu kommt, Wahlen zu organisieren und abzustimmen. Nicht zuletzt gibt es Gremien, in denen die Gewerkschaften vertreten sind. Wir sollten nicht vergessen, dass die Europäische Union eine Konstruktion ist, in der die eigene Stimme gehört wird. Es gibt zum Beispiel den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss. Es gibt den Europäischen Gewerkschaftsbund. Es gibt das Europäische Parlament und ihre gewählten Vertreterinnen und Vertreter. Es gibt also die notwendigen Kanäle, um die Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. Leider befinden sich die rumänischen Gewerkschaften zur Zeit in einer Lage, in der sie nicht wissen, was sie tun können. Also handeln sie nicht. Sie müssen dringend Konzepte entwickeln und im Sinne der Menschen aktiv werden.

Sprecher

Die menschliche Komponente ist ein Grundpfeiler in diesen Green Deal. Ohne Menschen geht es nicht.

Silviu Ispas

Ich finde wir sollten den Kontext auf einer positiven Basis beurteilen. Ich bin der Meinung, dass der Green Deal ganz gut ist. Ich bin davon überzeugt, dass Europa diesen Green Deal wirklich braucht. Weil wir die Diversifizierung der Energiequellen als wünschenswert erachten. Aber wir sollten nicht vergessen, dass sich zur Zeit verschiedene Krisen überlappen. Wir erleben in Europa Realitäten, die wir seit 1945 nicht mehr kennen. Wir erleben eine sehr schwere Beziehung zu dem Hauptlieferanten von fossilen Energie. Das ist Russland. Es ist wichtig, dass unsere Regierungen sich die Situationen ernsthaft ansehen und dann Entscheidungen treffen, die den Green Deal nicht an den Rand der Ereignisse drängt. Sicherlich brauchen wir für die nächsten zwei Jahre kurzfristige Entscheidungen zur Beibehaltung fossiler Energie. Aber die Bevölkerung darf nicht darunter leiden. Wir in Rumänien bauen auch Solaranlagen. Das ist nicht mein Problem. Die Angst, die wir haben, hat damit zu tun, dass wir nicht glauben, dass diese Solaranlagen tatsächlich ein Ersatz für konventionelle Energiequellen sein können. Ich beharre darauf: Man braucht für die Menschen eine umfangreiche und ehrliche Erklärung der Situationen in Rumänien. Und den Willen zur Information und Kommunikation mit der Gesellschaft. Und unsere Signale müssen in Brüssel auch gehört werden wollen.

 

 


Interview Florin Hossu

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© Axel Gauster/Nell-Breuning-Haus

 

 

Sende-Manuskript (Journalist und Autor: Axel Gauster)

Interview (Videofeature) mit Florin Hossu

in Arles/Frankreich 25. August 2022

 

Sprecher

Herr Hossu. Sie sind ja sehr besorgt.

Florin Hossu

Ich bin nicht besorgt um die Bergleute und Mitarbeiter, die vor 16 Jahren gekündigt wurden. Ich mache mir sorgen um das Bergbauunternehmen, das, obwohl der Mine an sich geschlossen wurde, noch 80 Mitarbeitende beschäftigt. Aber das ist nicht genug. Ich hätte mir mehr Beschäftigte gewünscht, weil dann der Gewässer- und Umweltschutz besser gewährleistet ist. Um die Gewässer sauber zu halten und den Schmutz, der aus der Mine kommt, besser bekämpfen zu können. Weil unsere Gewässer münden in andere Flüsse wie zum Beispiel in die Donau. Und dann ist diese Verschmutzung ein Problem für ganz Europa.

Sprecher

Nun haben sie gesagt, dass bei der Schließung der Bergbaubetriebe und Minen keine Rücksicht auf die Menschen genommen wurde. Die werden arbeitslos. Sie beklagen, dass es keine kurz- und mittelfristige Wirtschaftsstrategie für die Menschen gibt.

Florin Hossu

Wie ich in meinem Vortrag ja erwähnte, gibt es heute in Rumänien keine wirklichen wirtschaftlichen und sozialen Strategien für die Menschen. Wir haben überhaupt keine Idee, keinen roten Faden dafür, was wir für diese Menschen hätten machen können. Im Jahre 2006 haben die letzten Beschäftigten den Bergbau und die Mine verlassen müssen. Aber die Probleme in den rumänischen Kohlerevieren haben bereits im Jahre 1926 angefangen. Glücklicherweise sind wir schon Teil der Europäischen Union und so konnten viele Arbeitslose aus den Minen in andere Länder der Europäischen Union auswandern. Heute würden wir jedoch diese Beschäftigten nicht so einfach kündigen.

Sprecher

Sie sagen, dass die politischen Eliten in ihrem Land Rumänien nur für sich selbst arbeiten und nicht für die Bevölkerung. Wie kann sich das den ändern?

Florin Hossu

Eine Veränderung ist gar nicht so schwierig. Ich habe eine langjährige Erfahrung als Gewerkschaftsvorsitzender. Am wichtigsten ist eine umfassende, ehrliche Kommunikation ohne persönliche Egoismen und Interessen. Leider glauben die rumänischen Politiker, sie seien die Schätze eines Landes. Aber das stimmt nicht. Die Menschen sind der Schatz einer Gesellschaft. Und wir wählen diese Politiker, damit sie uns helfen und damit sie sich mit uns beraten können.

Sprecher

Sie haben ein rumänisches Sprichwort zitiert: ‚Die Ziege des Nachbarn soll sterben‘. Was hat es damit auf sich?

Florin Hossu

Das bedeutet: Viele Bürger sind neidisch aufeinander und auf den anderen. Also wenn es einem Menschen nicht gut geht, dann ist er neidisch auf den Nachbarn, der besser bestellt ist. Und dann denken sie: ‚Wenn es mir schlecht geht, dann soll es dem Nachbarn auch schlecht gehen. Wenn ihm etwas Schlimmes zustößt, dann freue ich mich darüber’. In Deutschland sagt man das anders: ‚Nicht die Ziege des Nachbarn soll sterben, sondern der Nachbar selbst, damit ich seine Ziege nehmen kann‘. Dieses Sprichwort wurde als Untermauerung eines Vergleichs mit unserem Nachbarstaat Bulgarien angeführt. Das soll heißen: Kollegen aus Rumänien würden sich freuen, wenn auch in Bulgarien Kohlereviere geschlossen würden. Aber das sollten wir nicht zulassen. Wir müssen zusammen halten. Alles zusammen erreichen. Dann wird es gut gehen. Wir sollten uns nicht darüber freuen, wenn Kohlereviere und Kraftwerke in Bulgarien geschlossen werden.

Sprecher

Es scheint ja ein Wahrnehmungsgefälle zwischen der Bevölkerung im Westen Europas und im Osten Europas zu geben. Im Rahmen von Green Deal scheinen die sozialen Probleme der Menschen in den osteuropäischen EU-Ländern hier in Westeuropa nicht wirklich wahrgenommen zu werden.

Florin Hossu

Es wundert mich nicht, das die Wahrnehmung der Menschen in Westeuropa eingeschlafen ist. Denn nach dem zweiten Weltkrieg haben Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien ein hohes Niveau an Fortschritt und Wohlstand erreicht. Es gibt einen hohen Lebensstandard. Und so können sich die Menschen nicht vorstellen, wie rückständig und arm es in den osteuropäischen EU-Ländern teilweise ist. Das ist jetzt kein Vorwurf an die Bevölkerung in Westeuropa. Aber die Menschen hier bei uns werden das nicht mehr lange aushalten. Es könnte zu sozialen Unruhen und Protesten kommen, wie zum Beispiel die Proteste der ‚Gelbwesten‘ in Frankreich. Das könnte die Grundlagen der Europäischen Union erschüttern. Und das sind meine Fragen: Ist es den Politikern und Politikerinnen in der Europäischen Union bewusst, das Unruhen stattfinden könnten? Und sind sie darauf vorbereitet?

 


Interview Dr. Manfred Körber

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© Axel Gauster/Nell-Breuning-Haus

 

 

Sende-Manuskript (Journalist und Autor: Axel Gauster)

Interview (Radiofeature) mit Dr. Manfred Körber

in Arles/Frankreich 25. August 2022

 

Sprecher

Dr. Manfred Körber ist Geschäftsführer des Nell-Breuning-Haus aus Herzogenrath. Im Rahmen des EZA-Seminars „Der europäische Green Deal – Risiko und Chance für Arbeitnehmer*innen durch Transformation“ referiert er am 25. August in Arles über die Transformationen im rheinischen Revier. Für das rheinische Braunkohlerevier um Garzweiler II ist eine Lösung gefunden. Kohleausstieg im Jahre 2030 – 8 Jahre früher als geplant, das kleine Dorf Lützerath wird abgebaggert, dafür bleiben fünf weitere Dörfer bestehen, der Hambacher Forst ist gerettet. Jetzt geht es um den Strukturwandel in dieser Region. Sind damit alle Konflikte Vergangenheit?

Dr. Manfred Körber

Es gibt dauerhaft neue Konflikte. Die Konflikte, die sich im Moment in der Tagebauregion auftun, haben mit der Frage zu tun, wie viel Kohle muss noch abgebaggert werden. Also das Stichwort „alle Dörfer bleiben“ ist in dem Zusammenhang zu erwähnen. Nämlich die Position, dass keine weiteren Enteignungen und kein weiteres Abbaggern von Dörfern notwendig ist, um die Energiesicherheit auch jetzt in der Kriegsphase zu gewährleisten. Darüber hinaus ist es natürlich so, dass die unterschwelligen Konflikte, die über viele Jahre die Region kennzeichnen, natürlich auch immer wieder aufbrechen.Viel Unversöhntes ist nach wie vor da. Und es muss so zu sagen dauerhaft bearbeitet werden. Und wir von einer Versöhnung, einer Aussöhnung sicherlich noch weit entfernt sind.

Sprecher

Sie haben in ihrem Vortrag drei Punkte hervorgehoben. Erstens Umsiedlung. Zweitens Klimakonflikt. Drittens Arbeit contra Umwelt. Da gäbe es zum Beispiel einen Gutachterstreit.

Dr. Manfred Körber

Die Umsiedlung ist klar. Da gehen wir davon aus, dass die abgeschlossen ist. Im Bereich des Klimakonfliktes sind wir sicherlich auch so weit sagen zu können, dass da der Ausstiegspfad beschritten wird. Und das Thema der Arbeitsplätze ist insofern etwas strittig, als das es sicherlich keine große Thematik ist, was die Arbeitsplätze bei RWE selbst angeht. Sondern die Frage nach den Folgen. Die Energieregion hat auch immer Industrien angezogen, die sehr energieintensiv sind. Wie zum Beispiel die Chemie- und Papierindustrie. Und da ist natürlich das Problem: Wie ist so zu sagen die Energiesicherheit für diese Industrie in Zukunft zu gewährleisten. Und wie hoch ist der Arbeitsplatzeffekt dieser Industrie für die Zukunft der Region einzuschätzen.

Sprecher

Die so genannte Kohlekommission hat insgesamt 40 Milliarden Euro für Strukturmaßnahmen in den Kohlerevieren bereit gestellt.

Dr. Manfred Körber

Bundesweit für drei Regionen. Wovon 15 Milliarden Euro in der Aachener Region ankommen werden. Und die haben halt zur Folge, dass sich eine ganz eigene Struktur aufbaut. Das hat auf der einen Seite natürlich Vorteile, indem es so zu sagen eine eigene Gewichtung gibt, wie die Region entwickelt werden soll. Auf der anderen Seite entwickelt sich damit aber auch eine eigene, neue bürokratische Ebene. Die auch wieder die Gefahr der Bürgerferne in sich trägt. Die auch die Gefahr in sich trägt, wer sie eigentlich kontrolliert.

Sprecher

Nun geht es natürlich auch um einen christlich-sozialen Blick auf die Ereignisse. Werden die Menschen informiert über die Möglichkeiten, die es hier in Zukunft geben kann?

Dr. Manfred Körber

Ich glaube, dass Problem ist komplizierter. Zum Einen könnte eine christliche Perspektive darin bestehen – zumindest verstehen wir vom Nell-Breuning-Haus es so, dass wir auf den Dialog setzen, den Dialog unterschiedlicher Interessenpartner fördern, damit wir gemeinsam sehr viel bewegen im Strukturwandel. Zum Beispiel von Gewerkschaften, von Umweltbewegungen, von Landes- und Bundesebene. Der andere Punkt, wie die Bürger mit genommen werden auf die Zukunftsentwicklung – das ist schwieriger. Weil wir gar nicht genau wissen, wie diese Zukunftsentwicklung aussieht. Und das ist eine verschränkte Geschichte zwischen: wohin entwickeln sich eigentlich die Bedürfnisse der Menschen und wohin entwickeln sich die Produkte. Und da braucht es auch ein Zusammen gehen zwischen dem, was so zu sagen das neue Leben ist und was die neue Arbeit ist. Und da braucht es Initiativen, die das zusammen denken. Und die haben wir – meiner Ansicht nach – in der Region noch viel zu wenig. Wir setzen zu wenig auf soziale Innovation. Und als christliche – wenn man so will - Akteure brauchen wir – glaube ich – ein klares Bekenntnis dazu, auch diese soziale Innovation voran zu treiben. Das haben wir ja hier in der europäischen Diskussion auch noch einmal gemerkt, wie wichtig der soziale Dialog ist.

Sprecher

Es gibt ja schon lokale, technische Innovationen zur alternativen Energieerzeugung. Zum Beispiel ein Solarenergiepark der Stadt Herzogenrath.

Dr. Manfred Körber

Das ist der Versuch einer Stadt autark zu werden in der Energieversorgung. Und das scheint ja auch weitgehend zu gelingen. Es hat natürlich nicht jede Stadt diese Möglichkeiten. Aber das Bestreben dahin ist natürlich sehr interessant zu sagen: Wir müssen von diesen Großtechnologien langfristig wegkommen. Das ist ja sowieso die ganze Diskussion, die sich hinter dem Green Deal – wenn es um Energie geht – verbirgt. Die Zeit der großen Kraftwerke muss eigentlich vorbei sein. Wir brauchen zunehmend dezentrale Lösungen. In diese Richtung muss die Debatte weiter geführt werden. Läuft ja auch. Und da – finde ich – ist es gut, wenn die Kommunen da zu einem wichtigen Akteur werden und sich Gedanken darüber machen, wie ihre eigene Versorgungssicherheit auch mit den Industriebetrieben, auch mit den Gewerbegebieten, die sie vor der Türe haben, dann eben aussehen kann.

Sprecher

Nach dem Ergebnis der Kohlekommission im Jahre 2019 haben sich die Sprache und der Umgang verbessert. Es ist kooperativer und es gibt den Blick auf die Zukunft. Ganz im Gegensatz zu den Verhältnissen in Bulgarien und Rumänien.

Dr. Manfred Körber

In Rumänien und Bulgarien gibt es kein Enddatum. Da ist ein Enddatum vorgegeben worden. Das ist denen diktiert worden. Sie sagen: „Das wird uns von Brüssel diktiert“. Und die nationale Politik nimmt das halbherzig an. Oder sagt: „Ja gut. Brüssel sagt das – wir müssen das machen“. Und das ist natürlich ein Unterschied zu dem, wie man es in Deutschland gemacht hat. Das man in einem langen Prozess fest gelegt hat: „Das ist jetzt das Ausstiegsdatum“. Das ist – so zu sagen – von vielen gesellschaftlichen Akteuren, Parteien, Zivilgesellschaft, Unternehmen, Gewerkschaften miteinander verhandelt worden. Und damit habe ich natürlich eine ganz andere Basis. Auch die Wissenschaft hat ja in Deutschland - so zu sagen – dazu beigetragen zu sagen: „OK. Das ist jetzt eine Planungsgröße. Das ist eine Planungsgrundlage. Damit kann jetzt gearbeitet werden“. Und davon sind diese Länder – was wir hier von Bulgarien und Rumänien gehört haben – noch Lichtjahre entfernt.

 

 


Interview Ludovic Voet

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Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig.

© Axel Gauster/Nell-Breuning-Haus

 

 

Sende-Manuskript (Journalist und Autor: Axel Gauster)

Interview (Radiofeature) mit Ludovic Voet

in Arles/Frankreich 25. August 2022

 

Sprecher

Ludovic Voet ist Sekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes aus Brüssel. Im Rahmen des EZA-Seminars „Der europäische Green Deal – Risiko und Chance für Arbeitnehmer*innen durch Transformation“ referiert er am 25. August in Arles über die Inhalte des Green Deal der Europäischen Union. Der Green Deal hat eine große ökonomische Bedeutung. Nutzt das kapitalistische System diese Bedeutung für ihre eigenen Ziele über Gebühr aus?

Ludovic Voet

Man hört zum Beispiel von steigenden Preisen, die sich keiner mehr erklären kann. Als Resultat von Kriegen und Krisen. Dahinter gibt es natürlich ganz starke spekulative Bewegungen. Wer das letztendlich ausbaden muss sind die Beschäftigten. Der Green Deal ist ein hybrider politischer Prozess. Man erkennt ganz klar die Bereitschaft und den Willen der Bevölkerungen, ein Europa zu schaffen, das auch bereit ist, zu de-karbonisieren, saubere Arbeitsplätze zu schaffen. Aber auf der anderen Seite haben wir dann die Unternehmen, die diese Bereitschaft nicht in allen Belangen an den Tag legen. Die zwar eine CO2-reduzierende Strategie entwickeln, aber zu Lasten ihrer Beschäftigten. Und die die vielfältigen sozialen Belange nicht berücksichtigen. Die Beschreibungen des Green Deal der EU-Kommission gibt den Unternehmen relativ freie Hand. Sie werden nicht verbindlich aufgefordert in ihre Strategien die sozialen Folgen und Belange mit einzubeziehen. Zum Beispiel werden steigende Preise wieder auf die Bevölkerung abgewälzt. Wir fordern daher auch von den Unternehmen, dass sie die sozialen Belange in ihre Handlungen einbeziehen. Ansonsten kann nicht von einem gerechten Übergang in die CO2-freie Welt die Rede sein.

Sprecher

Diese Transformation hin zu einer umweltfreundlichen Welt ist doch auch eine Chance für die Gewerkschaften, neue Konzepte und Strategien den Übergang zu sozial gerechten Arbeits- und Lebensbedingungen zu entwickeln und durchzusetzen. Der klassische gewerkschaftliche soziale Dialog. Der Zeitpunkt ist doch sehr günstig.

Ludovic Voet

Daran arbeiten wir eigentlich schon seit Jahrzehnten. Und im Rahmen der Globalisierung sehen wir ja auch, was passiert, wenn der arbeitende Mensch nicht im Mittelpunkt steht. Durch diese Beschäftigungspolitik werden auch Arbeitsplätze zerstört. Das gilt auch für Europa. Die arbeitslos gewordenen Menschen wurden nicht sozial aufgefangen. Wir wollen einen gerechten Übergang, arbeiten daran und hoffen, aus den Fehlern der Vergangenheit, die auch die Gewerkschaften gemacht haben, zu lernen. Es kann eben nicht sein, dass Menschen hin zu anderen Arbeitsplätzen umsiedeln müssen, weil ganze klassischen Energieproduktions-Reviere geschlossen werden. Wir müssen daher nachdrücklich fordern, dass vor Ort alternative Arbeitsplätze zu guten Arbeitsbedingungen entstehen. Es gibt aber auch positive Beispiele. Im Rahmen der Dekarbonisierung haben die Gewerkschaften in Spanien, in Asturien nach Schließung von Kohlekraftwerken für sozial verträgliche Alternativen gesorgt. Oder in Deutschland. Der Kohleausstieg wurde mit Beteiligung der Sozialpartner ausgehandelt. Da gibt es große soziale Programme für den Strukturwandel einer ganzen Region und ihrer Beschäftigten. Oder ein niederländisches Stahlunternehmen. Dort haben die Beschäftigten einen Unternehmensplan zur Dekarbonisierung des Werkes gefordert. Zum Beispiel durch Wasserstoff. Darauf ist der Arbeitgeber eingegangen und benutzt Wasserstoff als neue Energiequelle. Die Gewerkschaften haben auf jeden Fall die Pflicht, auf die Entscheidungen von Unternehmen und Politik einzuwirken.

Sprecher

Nun sprachen sie in ihren Vortrag von den Widersprüchen im Rahmen von Green Deal.

Ludovic Voet

Der Green Deal ist aus Klimasicht zwar sehr kohärent, aber sozial ist er das nicht. Zum Beispiel sollen in Europa ab dem Jahr 2035 keine Autos mit Verbrenner mehr verkauft werden. Da gibt es keinerlei politische Pläne und Maßnahmen für die Arbeitswelt. Denn wir wissen, dass dadurch viele klassische Arbeitsplätze verloren gehen. Oder die Erhöhung von Abgaben und Preisen für fossiler Energie im Bereich Mobilität und Wohnungsbau. Die sollen in Zukunft steigen, damit die Menschen irgendwie dazu animiert werden, auf E-Autos umzusteigen oder ihre Häuser kernzusanieren und mit sauberen Energietechniken auszustatten. Aber wenn die Menschen dafür keine Geldmittel haben, dann kann das auch nicht gemacht werden. Aber es werden seitens der Politik zu wenig Mittel und Möglichkeiten finanzieller Art geschaffen, damit die Bürgerinnen und die Bürger auf wirklich ernsthaft aktiv werden können.

Sprecher

Nun sind die Entwicklungen im Rahmen von Green Deal von Land zu Land sehr unterschiedlich. Und innerhalb der Länder sogar von Region zu Region. Was sollten die Gewerkschaften unternehmen, um klar zu machen, dass der Mensch im Mittelpunkt dieses Wandels stehen muss?

Ludovic Voet

Ich glaube, dass es unter den Menschen ein gutes Verständnis für die Notwendigkeit des ökologischen Wandels gibt. Alle Menschen wollen eine saubere Umwelt, klimaneutrale Mobilität, nachhaltige Lebensmittel, sichere Arbeitsplätze. Und sie bringen auch den Willen mit, diesen Wandel zu gestalten. Aber ein großer Teil der Bevölkerung ist sehr vorsichtig geworden. Weil sie in der Vergangenheit auch immer wieder schlechte Erfahrungen mit den politischen Entscheidungen gemacht haben. Und sich teilweise als Opfer dieser Politik fühlen und fühlten. In einigen Ländern mehr. In anderen Ländern weniger. Daher ist es auch schwierig, alle Kräfte zu bündeln. Da ist es die Aufgabe der Gewerkschaften, alle Gruppen, auch die verletzlichen, zusammen zu führen, damit sie sich nicht mehr als Opfer dieser Klimapolitik fühlen. Natürlich hat der Europäische Gewerkschaftsbund ein Interesse daran, den Menschen wieder in den Mittelpunkt der Entwicklungen zu stellen. Und das nicht nur allgemein, sondern auch national, regional, lokal und betrieblich.

 


 

Fotos/Radio/Videofefature: Axel Gauster © 2022 Nell-Breuning-Haus / Axel Gauster