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Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig.

© Axel Gauster/Nell-Breuning-Haus, Herzogenrath

 

 

 

  Radiofeature Sendemanuskript Interview Prof. Dr. Ulrich Deller 

 Radiofeature Sendemanuskript  Interview Ilona Mathais M.A. 

  Radiofeature Sendemanuskript Interview Norbert Klein 

 

 

 

Fotos: Axel Gauster © 2017 Nell-Breuning-Haus/Axel Gauster

 

Interview Prof. Dr. Ulrich Deller

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Sende-Manuskript 

Interview von Axel Gauster (Radiofeature) mit Prof. Dr. Ulrich Deller

in Herzogenrath/Deutschland 28. Juni  2017

 

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Bildung ist ja immer Produkt und Prozeß. Also Bildung ist immer eine Sache, die nie zu Ende ist. Und sie ist zugleich auch immer eine Sache, bei der man sagen kann: So jetzt gibt es einen gewissen Status wo man sagt der ist schon gebildet. Auch wenn er sich weiter bildet.

 

Sprecher

Sagt Prof. Dr. Ulrich Deller von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen Aachen. Was lernen wir und wie lehren wir? Zentrale Fragen in seinem Vortrag als Teil eines europäischen Seminars vom 27. bis 30. Juni 2017 in Herzogenrath/Deutschland. Titel: „Neue Wege gehen – neue Methoden wirksam in der Bildungsarbeit einsetzen“. Eingeladen hat das Europäische Zentrum für Arbeitnehmerfragen EZA Königswinter. Veranstalter ist das Nell-Breuning-Haus Herzogenrath.

Den heutigen Bildungsbegriff gibt es erst seit dem Zeitalter der Aufklärung zwischen 1650 bis 1800 …

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

... in dem die Idee entsteht: Der Mensch ist eben nicht nur das Abbild Gottes Eins zu Eins. Sondern er ist so zu sagen das Werk seiner Selbst. Und in dem Moment, wo wir beginnen, den Menschen als Werk seiner Selbst zu begreifen, diskutieren wir über Bildung. Und da gibt es natürlich einen großen Unterschied in der deutschen Begriffstradition. Wir machen einen Unterschied zwischen Erziehung und Bildung. Erziehung ist eigentlich ein ganz alltägliches Phänomen. Was es seit jahrtausenden gibt. Mit dem wir die nachwachsende Generation so zu sagen 'züchtigen', damit sie sich an die Regeln hält, die wir Erwachsene setzen.

 

Sprecher

Und diesen Zweig der Bildung – die Erziehung – gibt es seit der Antike. Im antiken Griechenland zum Beispiel nannte man das Paideia. Und der umfasste nicht nur die Schulbildung, sondern auch die Hinwendung des Menschen zum Denken. Heute steht Bildung eher für eine seelische und intellektuelle Entwicklung des Menschen.

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Der Bildungsprozeß ist ja anders angelegt. Er meint die tätige Auseinandersetzung mit der Umwelt, die dazu führt, daß ich eine bestimmte Fähigkeit – die Umwelt mitzugestalten – entwickle. Wobei Umwelt jetzt nicht im ökologischen Sinne gemeint ist.

 

Sprecher

Der Moment der Selbsterkenntnis, ist das auch schon Bildung oder ist das eine Voraussetzung, um Bildung zu erlangen?

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Dieses Gnothi seauton der alten Griechen hat natürlich etwas damit zu tun, daß der Mensch sozusagen darauf hin orientiert ist, sich selbst kritisch gegenüber zu stehen und sich selbst kennen zu lernen. Der Bildungsprozeß meint immer beides. Der meint eben nicht nur: Ich lerne mich kennen. Sondern meint auch: Ich lerne meine Umwelt kenne. Und ich bin in der Lage, beide konstruktiv zu gestalten.

 

Sprecher

Zirka 900 Bildungskompetenzen gibt es nach Prof. Dr. Ulrich Deller. Beschrieben werden die im ‚Europäischen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen‘. Abgekürzt EQR. Aber es gibt auch eine Kritikpunkt: Bildung orientiere sich zu sehr an den Praxisbezug. Ein Beispiel.

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Es geht ja nicht nur darum, Fähigkeiten zur Bewältigung praktischer Situationen zu entwickeln. Also. Ich entwickele die Fähigkeit zum Beispiel an einer befahrenen Straße genau den Moment abzupassen, wann ich hinüber gehen kann. Weil ich gelernt habe abzupassen: Wie schnell muß ich gehen, wie schnell sind die Autos, wie viel Zeit brauche ich, um hinüber zu kommen. Bildung an der Stelle meint ja mehr. Bildung meint ja auch die Bedeutung von Mobilität. Die Bedeutung des Straßenverkehrs. Die Bedeutung des Verhältnisses von Fahrzeug und Mensch mit zu diskutieren, mit zu kalkulieren. Und das so zu sagen in einen Gesamtprozeß zu nehmen und nicht nur die Fähigkeit zu beschreiben: Ich bin in der Lage über die Straße zu gehen.

 

Sprecher

Diese Form der Bildung reicht aber nicht. Prof. Dr. Ulrich Deller.

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Natürlich kann ich eine unglaubliche Vielfalt von Kompetenzen nennen, die ich erwerben könnte oder die ich möchte, daß Lernende erwerben. Der Bildungsbegriff ist da ganzheitlicher orientiert. Und das ist mir die stimmigere Geschichte, weil der Kompetenzerwerb dieses: 'Ich bringe es in eine Einheit' nicht berücksichtigt.

 

Sprecher

Aus dem großen Vortrag von Prof. Dr. Ulrich Deller einige Stichpunkte. Zum Beispiel formelle, informelle und non-formelle Bildung. Formelle Bildung gibt es an den Schulen, Hochschulen aller Art. Informelle Bildung geschieht im Alltag, am Arbeitsplatz, im Familienkreis, in der Freizeit und geschieht sozusagen nebenbei. Non-formelle Bildung findet auch außerhalb der offiziellen Schulen statt, ist gezielt aber freiwillig, offen und vielfältig. Zum Beispiel der Besuch eines Seminars. Prof. Dr. Ulrich Deller.

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Wir stellen ja fest, daß Menschen ganz viel aufnehmen, ganz viel lernen. Was nicht gesteuert ist. Und wo wir manchmal Effekte erzielen wo wir wissen: Die wollen wir eigentlich gar nicht erzielen. Zum Beispiel das bestimmte Bildungsaspekte in bestimmten Lebenszusammenhängen nicht in dem Maße unterstützt werden. Also dieses Phänomen der informellen Bildung so zu sagen auch zur sozialen Differenz und Bildungsungleichheit führt. Dem muß man mit entsprechend gestalteten formellen und mit entsprechend gestalteten non-formellen Bildungsprozessen begegnen. Ich denke hier spielt alles das, was außerschulische Lernprozesse ausmacht, für Kinder und Jugendliche eine große Rolle.

 

Sprecher

Die Grenzen zwischen informeller und non-formeller Bildung sind dabei fließend.

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Hier spielt aber auch eine klug verantwortete Erwachsenenbildung eine Rolle. Weil an der Stelle darf die Erwachsenenbildung nicht nur auf den im Arbeitsprozess verwerteten Kompetenzerwerb orientiert sein, sondern muss mehr die Lebenssituation des ganzen Menschen in den Blick nehmen.

 

Sprecher

Im Zeitalter der digitalen Medien spielt das World-Wide-Web eine wichtige Rolle. Eigentlich ein Traum der 1968-Bewegung. Die wollte sich durch neue Formen des Zusammenlebens sozial vernetzen und dadurch lernen. Letztendlich ist diese Idee aber nicht verwirklicht.

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Also das Internet ist nicht die Absicherung von Gleichheit in den Bildungschancen. Das muß man ganz nüchtern so sehen. Man sieht es sowohl in den Geschlecherunterschieden zwischen Jungen und Mädchen wie auch in den Unterschieden in der Befähigung zur Nutzung des Internet.

 

Sprecher

Klare Ansage. Und das hat Gründe. Und die liegen am Umgang im diesem Medium.

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Wenn wir an der Stelle nicht auch wirklich Internetkompetenzen vermitteln, wird es darauf hinaus laufen, daß wir unsere Gesellschaft spalten. Es gibt die Interagierenen und die Interagierten. Das heißt es gibt diejenigen, die in der Lage sind, daß Interniet konstruktiv zu nutzen. Und es wird diejenigen geben, die mehr – so zu sagen – den Entwicklungen des Internet hinterher laufen.

 

Sprecher

Zum Beispiele der Unterschied zwischen richtigen und falschen Informationen.

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Die Befähigung zum Umgang mit Informationen aus dem Internet müßte in der Tat durchaus ausgebaut werden. Also es gibt eine ganze Menge von Internetseiten wo man mit im Prinzip relativ geringen Mitteln schnell rauskriegen kann, daß es sich hier um falsche Informationen handelt. Dazu muß man aber in der Lage sein, bestimmte Dinge wie zum Beispiel: Wie kommt man bei Google oben an die erste Kategorie bei einem bestimmten Stichwort. - Das muss man wissen wie das funktioniert. Und dann weiß man auch, wie bestimmte Internetplattformen dazu kommen, das sie ganz oben stehen.

 

Sprecher

Neues Wissen bedeutt neue digitale Möglichkeiten der Wissensvermittlung. Und diese Möglichkeiten bewirken wieder neues Wissen. Der Kreislauf des Wissens im digitalen Zeitalter. Oder der so genannte Informationalismus. Entwickelt von Manuel Castells, einem spanischen Soziologen und Medientheoretiker. Er verfasste ein Standardwerk mit dem Titel: Das Medienzeitalter.

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Manuel Castells beschreibt damit den Kreislauf zwischen der Generierung von Wissen, die dazu führt, daß wir technische Erneuerungen im Digitalbereich ermöglichen. Die wieder dazu führen, daß wir neues Wissen generieren. Das wieder dazu führt, daß wir neue technische Möglichkeiten zur Informationsverarbeitung generieren und so weiter.

 

Sprecher

Eigentlich ein sich selbst verstärkendes Modell. Wären da nicht die großen Internetfirmen, die diese Daten sammeln.

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Diese Sorge von Manuel Castells teilen auch andere Leute wie zum Beispiel der Preisträger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels vor zwei JahrenJaron Lenier. Der sagt: 'Wir müssen aufpassen, daß die großen – wie er sie nennt – Sirenenserver nicht Daten um der Daten willen sammeln und letztlich der Informationsgehalt der Daten, die gesammelt werden, den Menschen entzogen wird.

 

Sprecher

Jaron Lenier ist ein US-amerikanischer Informatiker, Komponist und Autor. Er kritisiert zum Beispiel die so genannte Schwarmintelligenz von Wikipedia. Die erzeuge keine Wahrheiten, sondern höchstens allgemeine Meinungen einer anonymen Masse ohne persönliche Kompetenz und Verantwortung.

Wollen die großen Internetunternehmen wie Google, Facebook, Apple, Microsoft und andere den Zugang zu freier Bildung? Indem sie Wissen zur Verfügung stellen?

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Google will nicht Bildung lenken. Google hat kein Bildungsinteresse. Google hat das Interesse immer mehr Daten zu sammeln. Und mit immer mehr Daten Steuerung für die Zugänglichkeit von Daten zu ermöglichen. Die Art und Weise, wie Google jetzt in die Steuerung von Automobilen reingeht, zeigt ja sehr deutlich, dass da keine Bildungsinteressen unterstützt werden. Sondern das es in erster Linie darum geht, entsprechend Daten zu sammeln und zu brauchen.

 

Sprecher

Wer ist heute Herrscher oder Herrscherin über die Bildung? Die Politik, die Ökonomie oder die Gesellschaft?

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Da antworte ich möglicherweise völlig antiquiert. Herrscher über die Bildung ist das gebildete Individuum. Ist der Einzelne, der seine Bildung in die Hand nimmt. Und das vor allen Dingen deswegen – und da folge ich Wilhelm von Humboldt: Bildung ist immer Selbstbildung.

 

Sprecher

Nun sitzen in diesem Seminar Arbeitskampf erprobte und demonstrationsgeschulte Menschen aus den Gewerkschaften, angereist aus Belgien, Slowenien, Rumänien, Mazedonien und Deutschland. Da ist ihr Satz: ‚Bildung findet heute nicht mehr auf der Straße statt, sondern in Seminarräumen‘. Provokant.

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Wir haben in den letzten vierhundert Jahren auf jeden Fall, aber vielleicht auch durch die Digitalisierung unserer Lebenswelt, Digitalisierung der Informationsverarbeitung Lernprozesse aus dem alltäglichen Leben zunehmend heraus geholt. Das heißt wir lernen das, was wir können müssen nicht mehr da, wo die Tätigkeit, für die wir lernen, stattfindet. Sondern wir lernen in separierten Institutionen und Situationen.

 

Sprecher

Was aber eine gute Bildung ist, wird …

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

... in diesen drei Bereichen informelle Bildung, formelle und non-formelle Bildung unverbindlich befällt. Im staatlichen, organisierten Schul- und Hochschulwesen, in den Kindergärten wird das so zu sagen über die staatlich regulierten Programme entschieden. Wir haben jetzt in Nordrhein-Westfalen die Situation, dass wir uns wieder für G9 entscheiden. Das ist eine bildungspolitisch bedeutsame Entscheidung. Und was in diesem neunten Schuljahr an Bildungsstoffen gelernt werden soll, dass wird in entsprechenden staatlich regulierten Gremien entscheiden. Das ist staatlich klar reguliert.

 

Sprecher

Das war jetzt die formelle Bildung. Nun gibt es aber auch noch die non-formelle Bildung.

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Was da gelernt wird, wie es gelernt wird, ist völlig dem Zufall überlassen. Non-formelle Bildung – das entscheiden die Anbieter und die Teilnehmer von Bildungsveranstaltungen, weil die Anbieter suchen nach Themen, mit denen sie sie Interessen der Teilnehmer treffen. Und die Teilnehmer suchen natürlich nach Angeboten, von denen sie für sich sagen: 'Das ist interessant. Damit kann ich etwas anfangen'.

 

Sprecher

Es wird ja immer vom lebenslangen Lernen gesprochen.

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Die Idee mit dem lebenslangen Lernen ist ja in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts aufgekommen. Edgar Faure, der große UNESCO-Bericht 'Lifelong learning' hat die Problematik zum ersten Mal richtig auf die Tagesordnung gehoben. Aber nicht unter dem Aspekt: 'Lernt man den wirklich ein Leben lang'. Sondern unter dem Aspekt: 'Man muss ein Leben lang lernen, weil sich die Wissensbestände innerhalb eines Lebenszyklus so schnell verändern.

 

 

Sprecher

Der französische Politiker Edgar Saure hat für die UNESCO in Jahre 1974 den Bericht ‚Lifelong learning‘ verfasst. Der ist bis heute bedeutend.

Lernen Sie noch dazu als Professor, als Mensch, der vielen Studentinnen und Studenten ja auch Bildung und Wissen vermittelt?

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Ich habe heute in dieser Lehrveranstaltung, wo ich viel vermittelt habe, ganz automatisch parallel ganz viel auch gelernt. Ich habe sehr viel gelernt dadurch, dass ich mich auf die Tagung vorbereitet habe. Ich habe aus den Fragen der Teilnehmer sehr viel gelernt.

 

Sprecher

Wenn Sie gesagt haben, Sie haben heute viel gelernt. Was war das jetzt? War das Informelles, Non-Formelles oder Formelles?

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Das was ich heute gelernt habe ist ganz eindeutig informelles Lernen gewesen.

 

Interview Ilona Matheis M.A.

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© Axel Gauster/Nell-Breuning-Haus, Herzogenath

 

Sende-Manuskript

Interview (Radiofeature von Axel Gauster) mit Ilona Matheis M.A.

in Herzogenrath/Deutschland 29. Juni 2017

 

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Aktivierende Methoden werden dann eingesetzt, wenn ich als Lehrender beziehungsweise als Dozierender mit der Gruppe in einen Austausch kommen will. Wenn ich auch den Ansatz und die Haltung habe, dass die Lernenden auch an ihre eigenen Wissensinhalte oder Erfahrungsinhalte anknüpfen können. Und ich das versuche auch in mein Konzept mit ein zu beziehen. Dann setzen aktivierende Methoden ein. Da gibt es vielfältige Ansätze, die ich eben immer in Kombination mit klassischen Vortragsmethoden setzen kann.

 

Sprecher

Sagt Ilona Matheis, Magister und Leiterin der Akademie für wissenschaftliche Weiterbildung an der Technischen Hochschule Köln. Aktivierende Methoden in der Erwachsenenbildung ist ihr zentrales Thema in ihrem Vortrag auf diesem europäischen Seminars vom 27. bis 30. Juni 2017 in Herzogenrath/Deutschland. Titel: „Neue Wege gehen – neue Methoden wirksam in der Bildungsarbeit einsetzen“. Eingeladen hat das Europäische Zentrum für Arbeitnehmerfragen EZA Königswinter. Veranstalter ist das Nell-Breuning-Haus Herzogenrath.

Eine Methode ‚die Abstimmung mit den Füßen‘. Nun darf man das nicht verwechseln mit ‚der Abstimmung mit den Füßen auf der Straße gegen Politik‘. Denn hier sitzen ja sehr viele Gewerkschaftsvertreterinnen und Gewerkschaftsvertreter. Die verstehen natürlich etwas anderes.

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Die ‚Abstimmung mit den Füßen‘ ist eigentlich eine Skalierungsmethode. Also. Sie können

eine Skalierung wählen von von Zehn bis Eins. Oder auch Pole wie Plus und Minus. Und ‚Abstimmung mit den Füßen‘ bedeutet, dass die Personen sich positionieren zu einer Fragestellung. Also. Wie hoch ist mein Erfahrungsschatz zu einem Thema? Sehr hoch? Da würden sie sich bei Zehn positionieren. Sehr wenig? Da würden sie sich bei Eins positionieren. Das ist so zu sagen die ‚Abstimmung mit den Füßen‘. Es ist eine Methode, wo ich als Dozierender sehe: Wie sind die Pole verteilt in der Gruppe? Wo kann ich ansetzen? Aber gleichzeitig lernen die Teilnehmer sich auch noch einmal auf eine andere Art und Weise kennen. Und das Bild spricht für sich.

 

Sprecher

Die Europäische Kommission hat 2008 einen so genannten Qualifizierungsrahmen für lebenslanges Lernen zusammengestellt. Der heißt abgekürzt EQR oder EQF. Ilona Matheis.

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Der europäische Qualifikationsrahmen ist handlungsleitend im Bildungsbereich und definiert diverse Kompetenzstufen einerseits. Und definiert andererseits den Rahmen, wie Bildungsprozesse zu gestalten sind. Also. Welche Lernergebnisse sind auf welcher Kompetenzstufe zu erwarten? Und ausgehend davon muss ich als Dozierender und Lehrender überlegen: Wo setze ich an? Welches Niveau fördere ich? Wie gestalte ich auch Veranstaltungen?

 

Sprecher

Wird das denn überprüft?

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Es ist erst einmal als Katalog zu verstehen und ein Handlungsrahmen. So würde ich es definieren. Es wird jetzt nicht dogmatisch umgesetzt oder auch geprüft. Sondern es ist ein Handlungsrahmen, der sowohl Hochschulen als auch Bildungseinrichtungen einen Rahmen bietet: Auf welchem Niveau befinden wir uns bei einem Abschluss eines Technikers oder Meisters? Hochschulen können dann prüfen, ausgehend von dem Niveau was festgestellt wird, wo sind dann auch Anerkennungen möglich? Wo können unterschiedliche Bildungswege sich mit einander vernetzen?

 

Sprecher

Eine weitere aktivierende Methode in der Bildungsarbeit ist das so genannte constructive alignment. Dieser Ansatz …

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

der drei Bezüge, die eigentlich sehr eng zusammen spielen, miteinander ins Verhältnis bringt. Also. Das man nicht nur den Fokus auf einen Bereich legt. Das heißt nicht nur die Lernziele in den Fokus nimmt. Sondern Lernziele sind eng gekoppelt mit den Methoden. Das heißt ich muss mir erst einmal Gedanken machen: Wo will ich eigentlich hin? Der zweite Schritt ist dann: Wie will ich es methodisch umsetzen? Wie sieht der Weg dort hin aus um die Lernziele zu erreichen? Der dritte Pol ist, dass ich mir anschaue: Wie kann ich denn überprüfen, ob die Lernziele erreicht sind? Und diese drei Pole bei der didaktischen Gestaltung einerseits und bei der Veranstaltungsplanung zu berücksichtigen ist wichtig. Gilt es auch jeweils zu überprüfen und auch anzupassen.

 

Sprecher

Diese Methode muss sehr gut vorbereitet werden. Ilona Matheis

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Es ist aber wichtig, dass ein roter Faden entsteht. Und das ich nicht einfach Methoden willkürlich einsetze oder Lernziele willkürlich festlege, sondern auch tatsächlich, wenn ich ein Lernziel definiere: Die Teilnehmer sollen aktivierende Methoden kennen lernen und sie auch anwenden – heißt es: Ich muss auch schauen bei meiner Veranstaltungsplanung, dass es auch zu Anwendungsmöglichkeiten kommt. Also. Das ich nicht auf der Stufe des Kennen Lernens stehen bleibe und Wissensvermittlung über eine Vortrag gewährleiste, sondern das auch Möglichkeiten eines Austausches mit berücksichtigt werden.

 

Sprecher

Nun sind hier Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter vertreten. Wie können die denn diese neuen, aktivierenden Methoden der Bildungsarbeit lernen?

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Es gibt bei dem Einen oder dem Anderen – dass war hier auch deutlich – erst einmal diesen Professionalisierungsanspruch: Ich habe die Profession, ich habe keine Erfahrung, ist es überhaupt gut wenn ich das mache? Mein Ansatz ist der: Learning by doing. Jeder kann bestimmte Dinge schnell, effizient und auch wirksam umsetzen. Das ist der Fokus, den ich heute eingenommen habe. Das heißt auch kleine Aktivierungen haben eine unglaubliche große Wirkung. Das sieht man jetzt auch an den Präsentation, die die Teilnehmer in der zweiten Arbeitsphase – erst einmal die Ideen entwickelt haben – und jetzt gerade präsentieren. Das es schon ganz viele Ansätze gibt, die aktivierend sind. Die ein Stück weit mehr heraus zu kitzeln ist Ziel. Und über das Tun kriegt man Erfahrung und professionalisiert sich in dem Bereich.

 

Sprecher

Natürlich gibt es auch Seminare und Studiengänge, in denen das ‚Lehren‘ gelernt werden kann. Aber das ‚einfach einmal anfangen‘, ‚keine Angst‘ haben – ist auch eine gute Übung. Vorausgesetzt die Vorbereitungen und Planungen stimmen. Die Arbeitsgruppen haben ihre Projekte eines Seminars auf jeden Fall schon einmal gut geplant und vorgestellt. Ilona Matheis.

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Ich fand es sehr bemerkenswert. Bei der ersten Gruppe – die hatten einen bestimmten Ansatz. Und ich habe da vorhin ganz minimale Impulse rein gegeben in dieser Gruppenarbeitsphase. Faszinierend war wie schnell dieser Impuls umgesetzt wird: Ja das ist eine gute Frage - die binden wir ein – so holen wir die Person am Anfang ab – so machen wir das. Und das meinte ich mit diesem learning by doing. Das heißt über nachvollziehbare Impulse kann eine Veranstaltung auch reicher werden, auch lebendiger werden. So das Personen auch etwas mit nehmen und nicht nur Wissen aufnehmen, sondern tatsächlich auch in den Austausch kommen. Und darum geht es ja auch hauptsächlich bei EZA, dass man sich untereinander vernetzt. Das man in den Dialog kommt. Und diese Impulse waren – glaube ich – sehr wertvoll. Auch unter einander sich auszutauschen und zu sagen: ‚Hast du es einmal damit probiert? Damit habe ich gute Erfahrungen gesammelt‘. Wie so eine Schlummerkiste, die wir jetzt über diese Arbeitsphase einmal aufmachen und die einzelnen Ideen zur Erscheinung kommen.

 

Sprecher

Also keine Angst vor neuen Wegen. Lebenslanges lernen gilt für alle und alles.

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Richtig. Und das ist auch spürbar über die Präsentationen geworden. Es entstehen Ideen. Es entstehen Impulse. Dann macht es auch Spaß. Veranstaltungsplanung ist zwar organisatorisch häufig aufwendig, aber das Ziel ist ja auch, dass man sich damit identifiziert. Und das auch Spaß macht. Für einen selber und auch für die Teilnehmer. Weil Lernen ist ja auch eng mit Emotion gekoppelt. Wenn man sich wohl fühlt und auch beteiligen kann, dann wird das eine wirkungsvolle Veranstaltung.

 

Sprecher

Wenn wir eine Reportage planen, dann gibt es bei uns die vier W‘s: Was, warum, wie, wer. Das ist jetzt nicht direkt vergleichbar. Aber sie haben ja das Stichwort genannt: Reading and flexing.

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Das Reading und Flexing ist eine ganz wichtige pädagogische Kompetenz. Setzt bei der Haltung an. Beim Reading geht es darum, dass ich einen beobachtenden Blick einnehme und bei den Teilnehmenden versuche die Signale zu deuten: Erscheint jemand müde? Oder hat jemand einen fragenden Blick? Oder gibt es ganz viele Zwischengespräche? Diese Beobachtungen zu deuten und auch einzubeziehen im Sinne von: Störungen haben Vorrang – wenn ich bemerke, dass viele Personen sich in Nebengespräche unterhalten – das ich als Dozent auch einmal frage: Gibt es etwas, dass wichtig ist für die Gruppe?

 

Sprecher

Und jetzt das ‚Flexing‘.

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Das setzt daran an. Heißt: Die Haltung zu haben auch flexibel zu sein. Wenn eine Frage gestellt wird oder wenn die Gruppe rückmeldet: Also das ist jetzt ein Weg – mit dem können wir jetzt nichts anfangen. Das ich dann auch flexibel bin und nicht sage: Nein ich habe jetzt aber das Konzept vorbereitet und wir machen so weiter. Also mich über die eigenen Bedürfnisse oder Bedarfe der Teilnehmer hinweg setze. Sondern das ich mich darauf einstelle und sage: Ok. Es ist wohl eine andere Frage gerade zentral. Und die setzen wir jetzt in den Fokus und gehen dieser Frage nach. Und biete dazu auch entsprechend das methodische Werkzeug an. Also. Sei es Diskussionsaustausch

oder eine geführte Moderation oder oder oder… Da gibt es viele Ansätze.

 

Sprecher

Es gibt im Rahmen von Seminaren und aktivierender Bildungsmethoden viele Beispiele. Peer to peer Methoden, Vortragsmethoden, Moderationsmethoden. Oder auch die so genannten barcamps.

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Barcamps sind - einfach dargestellt – open space Veranstaltungen. Barcamps gehen von dem Ansatz aus, dass bei klassischen Tagungen oder Veranstaltungen sehr sehr viel in den Pausen passiert. Barcamps haben dieses Phänomen entdeckt. Und versuchen eben diesen Erfahrungsaustausch, der gerade in den Pausen zentral ist, als Merkmal der Veranstaltung zu setzen.

 

Sprecher

Das heißt was?

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Es gibt erst einmal eine Kennenlernphase über kurze Verschlagwortung – so genannte hashtacks. Jeder stellt sich mit drei hashtags vor. Die Gruppe lernt sich so erst einmal kennen. Es ist eine sehr schnelle Methode. Also man kann sie tatsächlich mit einhundert zwanzig Personen in etwa einer dreiviertel Stunde machen. Der Anschluss ist dann, dass Personen sich zu Wort melden können und ihren Impuls vorstellen – der gesamten Gruppe. Parallel ist so eine Art Stundenplan, Zeitplan aufgemacht mit unterschiedlichen Zeitslots. Die Gruppe stimmt dann ab: Welches Thema ist für sie relevant? Und entwickelt dann gemeinsam einen Veranstaltungsplan. Die Agenda wird untereinander entwickelt.

 

Sprecher

Die nächste Stufe bei dem so genannten barcamp ist dann …

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

das ich mich als Teilnehmer dann fragen kann: In welchen Slot gehe ich denn jetzt? In welche Session – nennt man das bei Barcamps – gehe ich jetzt und wo möchte ich ich beteiligen? Wo möchte ich zuhören? Die Sessions dauern fünfundvierzig Minuten. Also bewusst kurz angesetzt. Also. Das es auf Diskussion ausgelegt ist. Das wenig Vortrag auch ermöglicht wird. Im Zentrum steht eben der Austausch. Wenn mir eine Session nicht gefällt, dann ich auch in eine andere Session wechseln.

 

Sprecher

Was machen sie denn mit Menschen, die schüchtern sind?

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Schüchterne Personen sind häufig sehr reflektierte Personen. Ich versuche schüchterne Personen über Selbstreflexion abzuholen. Das ich ermögliche, dass es auch so genannte Einzelarbeitsphasen gibt, wo ich eine Frage stelle, die die schüchternen Personen aber auch andere Personen sich erst einmal beantworten können. Und in einer zweiten Phase versuche ich, kleinere Rahmenbedingungen zu schaffen. Wie Gruppenarbeiten oder Murmelgruppen, wo man sich nur mit dem Nachbarn austauscht. So kann man nach und nach Dinge aufbrechen und auch schüchterne Personen zu Wort kommen lassen. Ob sie sich dann vor die Gruppe stellen und präsentieren, was in der Besprechung als Ergebnis zusammen gekommen ist, das dürfen sie selber entscheiden. Also. Wichtig ist nicht bloßstellen oder überfordern, sondern über kleinere Settings mitnehmen.

 

Sprecher

Nun sind ja Seminare heutzutage zeitlich eng getaktet. Es scheint immer weniger Zeit zum Lernen und zum Lehren übrig zu sein. Ist das heute ein allgemeines Problem im Rahmen der digitalen Massenmedien – die ja auch die schnelle Information und das schnelle Wissen anbieten?

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Ich glaube, wir lernen in den unterschiedlichsten Zusammenhängen. Wo es uns einmal bewusst und manchmal nicht so bewusst ist. Also. Wir lernen einerseits, in dem wir uns mit den sozialen Medien auseinander setzen. Bei Facebook das eine oder andere Video uns anschauen oder auch einen Bericht lesen. Da lernen wir. Wir lernen durch informellen Austausch, Pausengespräche oder sich einmal mit den Kollegen zusammen setzen. Wir lernen aber auch in klassisch organisierten Seminarsituationen, wie zum Beispiel jetzt diese Veranstaltung hier. Das heißt lernen ist eigentlich sehr vielfältig. Und wichtig ist, dass ich versuche als Lernender selber neugierig zu bleiben, meinen Fragen nach zu gehen. Und wenn ich sie in einem Veranstaltungskontext oder in einem organisierten Rahmen nicht beantworten kann, dass ich dann auch weiter die Frage im Fokus halte und vielleicht Antworten in einer Community, bei einem Blog oder im Netz suche oder auch im direkten Austausch mit Kollegen.

 

Sprecher

Der Bildungsbegriff ist ein vielfältiger und ganzheitlich. Wobei die so genannte humanistische Bildung eher am Rande steht. Heutiges Lernen heißt immer mehr – für einen bestimmten Zweck und Beruf oder einer Tätigkeit Wissen anzusammeln. Und zwar wie mit einem Trichter am Ohr, in das gnadenlos Informationen eingegossen werden. Ilona Matheis.

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Da gibt es auch einen nicht so schönen Begriff des ‚Bulimielernens‘. Ich nehme Wissen auf und gebe es dann wieder von mir. Kurz auswendig gelernt und ich schreibe es dann runter, verfüge dann nicht mehr über das Wissen. Und wichtig ist, dass wir als Bildungsverantwortliche überlegen: Was sind geeignete Lernsettings? Was bedeutet nachhaltiges Lernen? Wie kann ich Tiefen-lernen fördern?

 

Sprecher

Sind die digitalen Medien, dieses interaktive world wide web, das elearning – sind das wichtige Bestandteilé in der Bildungsarbeit?

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Es ändert sich auf jeden Fall etwas. Auch das darf aber nicht zum Selbstzweck werden. Sondern auch digitales Lernen muss Sinn machen. Muss auch immer wieder in de Kontext eingebunden werden. Wie kann ich zum Beispiel Medienkompetenz fördern? Indem ich vielleicht auch online Foren ermögliche. Wir machen das so, dass wir für unsere Teilnehmer – wenn jetzt beispielsweise die Veranstaltung über einen längeren Zeitraum geht – haben wir die Möglichkeit, über eine Lernplattform sich zwischen den Präsenzblöcken auszutauschen. Das sind wirkungsvolle Ansätze – man bleibt in Beziehung. Ich kann natürlich Videos einstellen. Das man sich im Nachgang noch einmal das Eine oder das Andere anschaut oder auch in Vorbereitung. Digitales Lernen ist in vielen Fällen sinnvoll. Aber ich muss mir auch da immer die Frage stellen: Welches Lernziel verfolge ich und was ist das Mittel? Wie erreiche ich das Lernziel? Und digitales Lernen ist ein Mittel. Ich sehe das sehr pragmatisch: Was macht Sinn? Und wie kommen wir dahin?

 

Sprecher

Die ‚reine‘ Methode gibt es freilich nicht. Oftmals werden verschiedene Ansätze miteinander kombiniert, um das Seminar offen, wach, freundlich und interessant zu gestalten. Dennoch schließt das Eine das Andere nicht aus. Ilona Matheis.

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Es gibt aber auch Methoden, die sehr umfangreich sind. Beispielsweise die kollegiale Fallberatung, die viel zeit in Anspruch nimmt. Aber auch in sich schon eine Strukturierung hat. Das heißt ich muss einfach darauf achten: Was für ein Setting habe ich? Was für Fragestellungen bringen die Teilnehmer mit? Und mir davon ausgehend dann die passende Methode heraus suche. Ich habe jetzt viele kleinere Impulse oder kleinere methodische Ansätze gewählt, um einfach auch die Vielfältigkeit zu zeigen. Aber es gibt auch größere, umfangreiche Methoden, die auf jeden Fall mehr Zeit in Anspruch nehmen.

 

Sprecher

Jetzt frage ich mich: Wie haben sie ihren Seminarbeitrag aufgebaut? War das jetzt die ‚Sandwich-Methode‘ mit ein bisschen ‚reading and flexing‘? Denn sie mussten sich ja anpassen. Die dritte Arbeitsgruppe stellt sich ja erst nach dem vor. Das war ja so nicht geplant.

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Mir war es erst einmal wichtig, bei den TeilnehmerInnen ein Gespür dafür zu bekommen: Wer sitzt eigentlich hier? Mit welchen Erfahrungsschatz, welchem Erfahrungswissen sind sie hier? Das sind nämlich Fragen, die im im Vorfeld einfach nicht in Erfahrung bringen konnte. Klar hätte an im Vorfeld einen Fragebogen verschicken können. Aber an der Stelle habe ich mich dafür entschieden, eine aktivierende Methode einzusetzen. Das heißt erst einmal eine Einschätzung vor zu nehmen. Dann natürlich ein Impuls. So zu sagen die Grundlagen setzen. Wissensinhalte präsentieren, die dann aber auch anwendbar sind. Bei den Wissensinhalten habe ich sehr großen Wert darauf gelegt, dass es einfache Fragen sind, die jeder auch mitnehmen kann als eine Art Handlungsleitfragen. Und auch einfache Methoden, die man umsetzen kann. Der jetzige Teil der Arbeitsphase ist so zu sagen die Anwendung, die wesentlich ist. Um auch die eigenen Fragestellungen erkennen zu können: Wo habe ich vielleicht noch Fragen? Und wenn ich mich jetzt noch einmal vertieft mit dem Thema auseinander setze – stimmt – also an der und der Stelle könnte ich noch einmal etwas ergänzen mit dem Wissen, das ich jetzt dazu gewonnen habe. Und nachher geht es eben noch in die Auswertungsphase, die wichtig ist, um einen Rahmen zu schaffen.

 

Sprecher

Sie als Leiterin dieses Seminarteils sie brauchen natürlich auch ein Feedback. Man möchte ja auch gelobt werden. Man kann es ja ruhig einmal so sagen. Holen sie sich das nachher? Ist das mit eingebaut?

 

O-Ton Ilona Matheis M.A.

Ja. Ja. Also ich bin auf jeden Fall interessiert an einem Feedback. Das muss nicht unbedingt nur zwingend Lob sein. Sondern ich finde es sehr hilfreich auch für mich, wenn ich Verbesserungsvorschläge bekomme. Was war gut? Was habe ich mit genommen? Welche Verbesserungspotenziale gibt es? Wo kann ich – so zu sagen - noch einmal auch als Lehrende weiter Impulse bekommen. Ich verstehe mich ja auch als Lernende. Die ja auch bestimme blinde Flecken hat. Also von daher – darauf bin ich sehr gespannt.

 

Sprecher

Und das gab es dann auch. Lob, Applaus, Resümee und Anregung für weitere Impulse für die Bildungsarbeit.

 

Interview Norbert Klein

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© Axel Gauster/Nell-Breuning-Haus, Herzogenath

 

Sende-Manuskript

Interview (Radiofeature von Axel Gauster) mit Norbert Klein

in Herzogenrath/Deutschland 29. Juni 2017

 

 

 

O-Ton Norbert Klein

Wir sind ja ein europäisches Netzwerk. Wir unterliegen einer Förderung durch die Europäische Kommission. Und arbeiten auf der anderen Seite an Themen, die sich alle auf die Zukunft richten.

 

Sprecher

Sagt Norbert Klein vom Europäischen Zentrum für Arbeitnehmerfragen aus Königswinter. Die EZA hat zu diesem europäischen Seminars vom 27. bis 30. Juni 2017 in Herzogenrath/Deutschland. Titel: „Neue Wege gehen – neue Methoden wirksam in der Bildungsarbeit einsetzen“ eingeladen. Veranstalter ist das Nell-Breuning-Haus Herzogenrath.

Ein Seminar über Seminar- und Bildungsarbeit. Bildungsarbeit zum europäischen sozialen Dialog hat im EZA-Netzwerk vor allem vier Aufgaben:Wissensvermittlung, Erfahrungsaustausch, Vernetzung, Weitergabe von gemeinschaftlich erlangtem Wissen sind die zentralen Aufgaben der Bildungsvermittlung.

Dabei steigen die Anforderungen an die Lernenden und die Lehrenden unaufhörlich, weil die Menge von Wissen stetig zunimmt und sich in ihrer Bedeutung verändert und ergänzt.

 

O-Ton Norbert Klein

Wir möchten natürlich, dass diese Zukunftsthemen auch so gut wie möglich behandelt werden. Deswegen ist uns Qualität wichtig. Und weil uns Qualität wichtig ist, müssen wir uns nicht nur darum kümmern, welche Themen bearbeitet werden, sondern auch wie. Wir möchten natürlich, dass unsere Projekte, unsere Seminare eine große Wirkung erzielen. Sowohl für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer als auch für die, an die sie das Wissen auch weiter geben. Und deswegen ist es eben wichtig, sich immer wieder Gedanken darüber zu machen, welche Methoden man wirksam zum Einsatz bringt. Da gibt es erstens immer wieder Neuentwicklungen und es ist wichtig, diese Neuentwicklungen aufzugreifen. Und andererseits ist es aber auch wichtig, die bewährten Methoden gut zu machen.Und deswegen möchten wir immer wieder auch unsere Qualität dadurch heben, dass wir Menschen zusammen bringen in Seminaren, um mit ihnen Methoden zu erarbeiten und zu bearbeiten.

 

Sprecher

Wo liegen denn die aktuellen Probleme für die EZA bei der Vermittlung von Bildung in der heutigen Zeit?

 

O-Ton Norbert Klein

Also zum Einen sehen wir auch, dass bei der Zielgruppe die wir haben, nämlich VertreterInnen von Arbeitnehmerorganisationen, etwas Ähnliches gilt, wie für fast alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Nämlich das sie eine hohe Arbeitsverdichtung haben. Und deshalb ist natürlich um so wichtiger in der zur Verfügung stehenden Zeit optimal mit dieser zeit umzugehen.

 

Sprecher

Andererseits zeigt es sich, dass die Fragestellungen …

 

O-Ton Norbert Klein

die im Zusammenhang mit der Arbeitswelt derzeit behandelt werden, immer komplexer werden. Und deswegen ist es wichtig, so zu sagen, die Themen, die prioritär sind, gut in der Zeit an die Menschen heran zu tragen, die ihnen zur Verfügung steht. Und das so nachhaltig, dass sie damit gut in der Zukunft umgehen können.

 

Sprecher

Die Digitalisierung spielt auch in der Bildungsarbeit eine immer wichtigere Rolle. Wird das als eine weitere Arbeitsmethode für die EZA-Seminare im Angebot sein? Norbert Klein.

 

O-Ton Norbert Klein

Ob es zu einer Bedingung wird, das wird man sehen. Was wir auf jeden Fall fest stellen, und das hat Professor Deller sehr deutlich gesagt, ist das sich die Art und Weise verändert, wie Menschen lernen. Und natürlich auch damit die Art und Weise verändert, wie Wissen an sie heran getragen wird. Wir sehen da eben sehr positive Aspekte. Nämlich die Möglichkeit, Wissen über sehr viel mehr Medien und Kanäle an Menschen heran zu tragen.

 

Sprecher

Dennoch dürfen die digitalen Möglichkeiten nicht überbewertet werden. Ihre gezielte und nützliche Auswahl ist bei der Planung und Durchführung von Bildungsveranstaltungen angesagt.

 

O-Ton Norbert Klein

Es gibt Untersuchungen darüber, dass die Konzentrationsfähigkeit von Lernenden abnimmt. Weil eben de Fülle von Informationen so gewachsen ist, dass sie kaum noch zu verarbeiten ist. Die Geschwindigkeit der Informationen ist so groß, dass Menschen manchmal die Orientierung über die Prioritäten dessen verlieren, was sie eigentlich an Wissen für ihr Leben brauchen. Also alle diese Entwicklungen, die wir sehr tiefgehend hier in diesem Seminar aufgearbeitet haben, die werden in Zukunft eine große Rolle spielen. Und wird auch sicherlich im EZA-Netzwerk dazu führen, dass wir moderne Techniken zunehmend auch in unseren Veranstaltungen einsetzen.

 

Sprecher

Nun hat der Professor Deller gestern etwas gesagt zur Europäischen Kommission und zur Wirkungskontrolle. Das sei eine Frage der Lyrik. Weil die Fülle der Variablen nicht planbar sei. Damit kann die EZA ja so nicht arbeiten. Norbert Klein.

 

O-Ton Norbert Klein

Also die Kommission sieht das in der Tat etwas anders. Und es ist ja legitim, auch aus ihrer Perspektive, danach zu fragen, wie das, was sie finanziell mit den Mitteln der europäischen Steuerzahler fördert, auch tatsächlich wirkt.

 

Sprecher

Die so genannte Wirkungskontrolle bedeutet: Welche Ergebnisse gibt es bei einem Seminar? Ist es nach Plan gelaufen? War es erfolgreich? Welche Handlungsempfehlungen wurden aufgeschrieben? Die Liste ist lang.

 

O-Ton Norbert Klein

Die Frage, die Professor Deller aufgeworfen hat, ist aber ebenso wichtig. Nämlich: Wie kann ich eine Wirkung beschreiben, die ich nicht voraus sehen kann? Wie kann ich sie messen? Und da stoßen wir in der Tat an Grenzen. Wir können bestimmte Dinge erfahren: Wie Menschen, die in unseren Projekten teil genommen haben, ihr Wissen anwenden. Aber das entzieht sich eben oft einer Systematik. Wir können das zufällig messen. Zufällig sehen. Aber wir können nicht eine Analyse dessen machen, um es dann in einem Wirkungsbericht an die Kommission zu liefern. Sondern wir können immer nur Ansätze dazu finden und Indikatoren finden und können Anhaltspunkte dafür finden, wo welches Wissen wie angewandt wurde.

 

Sprecher

Ziel und Wirkung von Seminaren. Das ist dann eine große Herausforderung für die EZA und die Europäische Kommission. Kann man das vermitteln?

 

O-Ton Norbert Klein

Ja. Wir müssen es vermitteln. Es ist eine Frage, wie man mit einander diese Dinge bespricht. Wir sind ja in einem permanenten Dialog auch mit der Europäischen Kommission. Mit der Generaldirektion Beschäftigung, aus der die Förderung für unsere Projekte kommt. Da sprechen wir solche Fragen auch an. Bei allem Respekt ist es halt auch schon so, dass nicht alles, was die Kommission gerne möchte, so die alleinig selig machende Wahrheit ist. Und wir müssen natürlich auch unsere Position darlegen. Die wir übrigens auch nicht alleine so haben. Sondern die auch der gewerkschaftliche Partner Europäisches Gewerkschaftsinstitut ebenso sieht wie wir. Und von daher ist es immer wieder wichtig, darauf hin zu weisen, dass eben Wirkung eintritt. Davon sind wir alle überzeugt. Und das sehen wir auch. Aber wir können sie nicht messen wie eine physikalische Größe.

 

Sprecher

Nun sitzen hier in diesem Seminar VertreterInnen der Gewerkschaften, die mit Bildungsarbeit zu tun haben. Aber das ist nur ein Teil ihrer Arbeit. Es sind keine professionellen Lehrkräfte an den Schulen oder Universitäten. Dennoch haben die drei Arbeitsgruppen ihre Projekte gut präsentiert. Norbert Klein.

 

O-Ton Norbert Klein

Ich würde der Frage ein wenig widersprechen wollen. Und würde schon meinen, dass es sich hierbei um sehr professionelle Kräfte handelt, die nicht dem Spektrum der formellen Bildung zuzurechnen sind. Aber eben Profis der non-formellen Bildung sind. Insofern hat es mich eigentlich wenig überrascht, dass wir hier eine Vielzahl von sehr gut laufenden, auch methodischen Ansätzen und auch methodischer Anwendung, in unseren Seminaren gegeben hat. Und die auch hier sehr deutlich zutage getreten sind. Ich habe eben selbst noch einmal in einer Diskussion gesagt: ‚Es ist ein riesiger Erfahrungsschatz, den wir da in unserem Netzwerk haben‘. Wichtig ist es, diesen Schatz zu heben und ihn immer so zu sagen für alle zugänglich zu machen.

 

Sprecher

Sie ermuntern die TeilnehmerInnen ja auch neue Wege zu gehen, wenn sie die Grundlagen eines Seminars, die Voraussetzungen eines Seminars erfüllen.

 

O-Ton Norbert Klein

Ja. Es gibt immer einige Zentren, die da sehr aktiv sind. Andere vielleicht etwas weniger. Und daher ist es wichtig, darüber einen Dialog herzustellen und eben dieses Wissen mit einander zu teilen. Dann fällt es auch denjenigen, die vielleicht bisher weniger daran denken neue Wege zu gehen, leichter, dies einmal zu tun und auszuprobieren.

 

Sprecher

Die Form dieses Seminars hat schon die klassischen mit einigen neuen Methoden der Bildungsarbeit angeboten. Und diese neuen Wege haben die Arbeitsgruppen direkt in die Präsentation ihrer Projekte eingebaut. Norbert Klein.

 

O-Ton Norbert Klein

Die Veranstaltung hier hat eben auch gezeigt, dass es oft sehr kleine Dinge sind, die man sehr einfach ändern kann. Wenn man sie kennt und wenn man einmal das auch selbst erfahren hat. Und das ist auch hier in diesem Seminar gut gelungen. Eine Kombination aus theoretische Wissen zu vermitteln, aber gleichzeitig auch die Möglichkeit zu geben, eine Methode, die vorgestellt wurde, auch einmal ganz schnell und kurz auszuprobieren. Dann ist es viel viel einfacher, das anzuwenden. Und auf der anderen Seite ist es gelungen, eben einen Dialog darüber herzustellen, was alles an Methoden, ob aktivierende Methoden, ob neue, ob altbewährte Methoden überhaupt angewandt werden.

 

Sprecher

Besser geht es nicht für die Macher eines Seminars mit dem Thema neue Methoden in der Bildungsarbeit. Norbert Klein

 

O-Ton Norbert Klein

Ja. Wir sind sehr froh mit dem Erreichten. Und können eigentlich in der Tat sagen, dass wir auch Dank der guten Zusammenarbeit mit dem Nell-Breuning-Haus hier es wirklich erreicht haben, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht nur zufrieden nach Hause gehen. Sondern wir ganz sicher sein können, dass das was wir hier miteinander erarbeitet haben, Wirkung erzielen wird. Wirkung insofern, als diese Methoden nach meiner Überzeugung ganz konkret in den nächsten Veranstaltungen unserer Partner Anwendung finden werden.