URHEBERRECHTLICHER HINWEIS

Die Sendemanuskripte sind urheberrechtlich geschützt und dürfen vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig.

© Axel Gauster/Nell-Breuning-Haus

 

Radiofeature Sendemanuskript Interview Ilona Arcaro M.A.

Radiofeature Sendemanuskript Interview Prof. Dr. Ulrich Deller

Radiofeature SendemanuskriptInterview Matthias Homey

 

Interview Ilona Arcaro M.A.

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© Axel Gauster/Nell-Breuning-Haus

 

Sende-Manuskript

Interview von Axel Gauster (Radiofeature) mit Ilona Arcaro M.A.

in Herzogenrath/Deutschland Februar 2018

 

 

 

Sprecher

Die Förderung von Oberfläche und Tiefenlernen. Was ist das?

 

O-Ton Ilona Arcaro M.A.

Oberflächenlernen ist der klassische, vortragsorientierte Stil. Das heisst ist als Dozent gebe Wissen weiter. Und Tiefenlernen regt die lernenden dazu an, selbst auch Kompetenzen erfahrbar zu machen. Beziehungsweise zu prüfen, welche neuen Lösungen kann ich entwickeln. Ich erschließe mir das Wissen über etwas. Versuche es so zu sagen in einen Handlungsschatz zu integrieren.

 

Sprecher

Sagt Ilona Arcaro, Leiterin der Akademie für wissenschaftliche Weiterbildung an der Technischen Universität Köln. Ihr Referat stellt aktivierende Methoden in der Erwachsenenbildung in Theorie und Praxis vor.

Ort: Herzogenrath im Februar 2018. Das Seminar hat das Thema: Neue Wege gehen – neue Methoden in der Bildungsarbeit einsetzen.

Zentral ist die Planung und Gestaltung von Veranstaltungen. Warum eigentlich? Das Spontane hat doch auch seinen Reiz?

 

O-Ton Ilona Arcaro M.A.

Die Planung und Gestaltung ist wichtig, damit ich einen Rahmen schaffe für lernen. Und diesen Rahmen muss natürlich den Lernenden gegenüber kommunizieren. Sie wollen ja auch wissen: Worauf lasse ich mich ein. Was ist der Lerngegenstand und worüber sprechen wir eigentlich. Und bei der Planung und Gestaltung überlege ich natürlich auch, an welchen Stellen kann ich eine Plan B Variante einschlagen, wenn meine Zielgruppe möglicherweise ganz andere Fragestellungen hat. Flexibilität muss ich immer mitdenken. Wenn ich nicht plane, dann verliert es den roten Faden. Ist für die Lernenden nicht nachvollziehbar genug.

 

Sprecher

Ist ein Seminar beendet, muss das Erlernte, aufgeschrieben oder nicht, in die Praxis umgesetzt werden. Transfersicherung heißt das. Warum ist die so wichtig?

 

O-Ton Ilona Arcaro M.A.

Weil es das ist, was nach einem Seminar stattfindet. Weil es auch nicht in dem Maße steuerbar ist. Auch ich kann jetzt nicht steuer, wie arbeiten die Personen, die jetzt hier und heute ihre ersten Ideen zur Seminarplanung angestellt haben. Was wird tatsächlich umgesetzt. Idealerweise habe ich als Veranstalter das Interesse zu gucken: Was sind eigentlich die Früchte, die so zu sagen in kleinen Knospen gekeimt sind? Wie reifen sie jetzt im Weiteren? Wie reifen sie jetzt im Weiteren? Heißt das ich versuche das Ganze planerisch anzugehen. Wie habe ich das heute gemacht, dass ich überhaupt den Lernenden auch die Gelegenheit gegeben habe, sich mit der Veranstaltungsplanung auseinander zu setzen. Wäre mir das egal, würde ich sagen: Ich bleibe bei de Vortrag und wir arbeiten an fiktiven Beispielen. Mir war das aber nicht egal. Sondern ich möchte, dass heute erste Impulse gesetzt sind und die Impulse dann weiter angegangen oder auch verworfen oder auch weiter gesponnen werden.

 

Sprecher

Zu den Moderationsmethoden eines Seminars gehören zum Beispiel Mind-Mapping und SOFT-Analsysen auch die Kopfstandethode...

 

O-Ton Ilona Arcaro M.A.

... Die dazu dient zu überlegen: Was kann eigentlich alles schief gehen? Welche Erfahrungen habe ich schon gemacht? Bei welchen schlechten Veranstaltungen war ich? Und wie kann ich de planerisch entgegnen? Damit es eben keine schlechte Veranstaltung wird. Heisst: Ich setze mich erst einmal mit diesen ganzen schlechten Faktoren auseinander, um dann im nächsten Schritt zu überlegen: Wie schaffe ich es, dass das nicht eintritt? Und das ist die Kopfstandmethode. Die ist sehr wirkungsvoll, weil uns häufig die negativen Beispiele sehr viel schneller einfallen, als tatsächlich die guten Beispiele. Und wenn ich bei den guten Beispielen ansetze, dann sind die meistens zu abstrakt. Die Vorgehensweise [mit der Kopfstandmethode] eignet sich dadurch, dass ich Risiken planerisch begegne.

 

Sprecher

Nun gab es im Rahmen von Peer to Peer - Methode die Murmelgruppe. Das ist nicht eine Murmelgruppe von Kindern, die da mit Glasmurmeln spielen. Das ist etwas ganz anderes.

 

O-Ton Ilona Arcaro M.A.

Das ist eine Methode, die dazu dient, sich einfach einmal ganz kurz – zwei Minuten – zu einer Fragestellung mit dem Nachbarn auszutauschen. Man kann überlegen, ob man die Ergebnisse dann so zu sagen im Plenum kurz vorstellt. Oder man es als Murmelgruppe beläst. Warum Murmelgruppe? Weil von Außen hört es sich wie eine Art Bienenkorb an. Es ist so ein Gemurmel. Das ist sehr sehr fruchtbar, um einfach einmal zu gucken, welche Erfahrungen sind hier eigentlich im Raum. Welches Vorwissen habe ich? Welche Ideen habe ich? Erste Ansätze, um sich mit den Nachbarn auch einmal auseinander zu setzen und mich auch zu vernetzen.

 

Sprecher

Digitalisierung und e-learning sind heute Bestandteile des Bildungssystems. Nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Jugendliche. Ist das ein Problem für die neuen Bildungsmethoden?

 

O-Ton Ilona Arcaro M.A.

Ist eine Herausforderung. Ja. Die besteht eigentlich darin, dass ich mich in die Person hinein versetze. Was bewegt sie. Bewegen sie sich überwiegend in den sozialen Netzwerken? Sind sie in Jugendzentren? Und wenn ich das schaffe, also auch tatsächlich auch Bezug finde: Was bewegt die Jugendlichen? Dann ist es ganz einfach. Aber ich muss mich dafür öffnen. Gerade dann, wenn man älter wird, bewegt man sich immer weiter weg von der Realität der Jugendlichen. Die haben andere Fragestellungen, die ich als Erwachsener nicht mehr habe.

 

Sprecher

Die Jugendlichen sind ja heute sehr gezielt. Sehr präzise wollen die etwas wissen. Wie gehen sie dann damit um?

 

O-Ton Ilona Arcaro M.A.

Es ist toll, dass sie sehr gezielt sind. Und das sie sehr wissbegierig sind. Wenn sie das einfordern, dann sollte ich dem auch gerecht werden. Ich denke, die Jugendlichen heute sind nicht wesentlich anders als die Jugendlichen früher. Sondern die Bedingungen sind anders. Ich kann mir Wissen über sehr viel unterschiedliche Arten und Weisen erschließen. Früher gab es eben noch kein Internet. Da war ich sehr stark auf den Lehrer angewiesen. Heute schaue ich in Google, Wikipedia oder irgendwo anders nach und kann das, was mir der Lehrer sagt, möglicherweise durch mehr Wissen wiederlegen. Es findet also ein anderer Dialog statt. Die Jugendlichen sind teilweise informierter. Das Wissen muss ich mit einbeziehen. Ernst nehmen. Das ist eine Haltungsfrage. Und tatsächlich die Wissenserschließung aktiv in meine Planung mit einbeziehen. Also das nicht nur ich das Wissen liefere sondern sage: Bitte schaut einmal in den sozialen Netzen oder in Google oder wo auch immer. Welche Antworten findet ihr?

 

Sprecher

Sie haben hier mit Beispielen in Arbeitsgruppen gearbeitet. Da kamen ja ziemlich kompetente Veranstaltungsideen mit viel Erfahrung zustande. Was können die denn hier noch lernen?

 

O-Ton Ilona Arcaro M.A.

Sie haben jede Menge Erfahrung. Was sie heute mitnehmen konnten ist ein gesunder Mix aus Bestätigung. Das, was ich bis Dato gemacht habe, muss ich nicht komplett neu erfinden. Ich kann viele Ansätze weiter verfolgen. Ich kann sie aber anreichern durch weitere Methoden oder Fragestellungen, die ich so im Vorfeld noch nicht bedacht habe.

 

Sprecher

Jeder Mensch braucht irgendwie ein Lob für die Arbeit, die er macht. Wie haben Sie sich das denn heute geholt?

 

O-Ton Ilona Arcaro M.A.

Ich bin deshalb sehr zufrieden, weil die Seminarideen, die hier zusammen getragen wurden, die sind tolle Themen. Das macht mich zufrieden, weil ich merke, dass ist hier ein großer Wissensschatz, der hier erfahrbar wird, wo Wissen geteilt wird. Heisst nicht nur ich mit einer Performance leiste hier einen Beitrag, sondern die Teilnehmer haben wesentlich zu dem Gelingen des heutigen Tages beigetragen. Wie habe ich mir das eingeholt? Indem ich am Ende gefragt habe: Was sind die Früchte? Und da kam auch einfach noch einmal zur Sprache, dass sie Inspiration mitgenommen haben, die nicht zwingend nur von mir kommt, sondern tatsächlich auch von den Anderen.

 

Sprecher

Das war die so genannte Blitzlicht-Runde?

 

O-Ton Ilona Arcaro M.A.

Ja das stimmt. Habe ich ganz gezielt eingesetzt. Weil es eine schnelle Methode ist. Ich habe gemerkt: Ok, die Teilnehmer sind jetzt erschöpft. Es ist spät am Nachmittag. Sie hatten gestern eine späte Anreise. Und ich wollte das nicht ausschöpfen einerseits. Und andererseits ist sie sehr pointiert. Man bekommt in sehr kurzer Zeit einfach ein Stimmungsbild. Und dafür eignet sich das hervorragend.

Interview Prof. Dr. Ulrich Deller

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© Axel Gauster/Nell-Breuning-Haus

 

Sende-Manuskript

Interview von Axel Gauster (Radiofeature) mit Prof. Dr. Ulrich Deller

in Herzogenrath/Deutschland Februar 2018

 

 

 

Sprecher

Wer entscheidet eigentlich darüber, was gute und was schlechte Bildung ist?

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Es gibt eine boshafte und eine vielleicht etwas überlegende Antwort. Fangen wir mit der boshaften Antwort an. Diejenigen, die darüber entscheiden, sind die Schulbuchverlage. Die Kommissionen dominieren, welche Schulbücher zugelassen werden und welche nicht. Und was in den Schulbüchern steht und was nicht. Und darüber wird eigentlich in der Öffentlichkeit viel zu wenig diskutiert. Die zweite etwas moderatere Antwort ist: Jeder Lehrende, jeder Pädagoge ist verantwortlich für diese Entscheidung. In jedem pädagosichen Prozess ist es so, dass der Lehrende oder die Lehrende seine/ihre Entscheidung auch existenziell repräsentiert. Sie merken das daran, dass Lehrerinnen und Lehrer viel mehr über sich und ihre Wertentscheidungen mitteilen als ihnen lieb ist. Und die Schüler kriegen an der Stelle viel viel mehr mit. Auch darüber, was gute und was schlechte Bildung ist.Was eigentlich dann auh reflektiert wird.

 

Sprecher

Sagt Prof. Dr. Ulrich Deller von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen Aachen. Was lernen wir und wie lehren wir? Zentrale Fragen in seinem Vortrag als Teil eines europäischen Seminars im Februar 2018 in Herzogenrath/Deutschland. Titel: „Neue Wege gehen – neue Methoden wirksam in der Bildungsarbeit einsetzen“. Eingeladen hat das Europäische Zentrum für Arbeitnehmerfragen EZA Königswinter. Mitveranstalter ist das Nell-Breuning-Haus Herzogenrath. Gibt es eigentlich Bildung ohne Wissen?

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Bildung gibt es natürlich nicht ohne Wissen. Aber Bildung hat wesentlich mehr Aspekte als nur zu wissen. Sie können das an der ganz einfachen, aber alltagssprachlich vereinfachten sehr verankerten Formulierung des ‚Fachidioten‘ sehen. Also ich kann sehr wohl sehr viel in einem Fach wissen, aber dann vielleicht trotzdem sehr engstirnig sein. Und ich bin dann zwar ein Fachmann aber nicht gebildet.

 

Sprecher

Kann Bildung Lösungswege blockieren, weil sie sich gegenseitig im Weg stehen?

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Da gibt es auch zwei Antworten. Die erste Antwort ist: Natürlich wissen wir über unser Leben nicht alles, was wir eigentlich wissen könnten oder sollten, um Entscheidungen zu fällen. Und manchmal müssen wir Entscheidungen fällen. Wohl wissend, dass wir nichts wissen oder zu wenig wissen. Wenn sie rauchen, dann wissen sie, das ist schädlich und hören vielleicht trotzdem nicht auf. Und wenn sie spielsüchtig sind, dann wissen sie vielleicht das das, was sie da machen, eine Katastrophe ist. Aber sie sind in dieser Sucht verfangen. Das wissen alleine reicht nicht aus, um von einem gebildeten Menschen zu sprechen.

 

Sprecher

Der Mensch macht es letztendlich?

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Der Mensch macht es immer. Das ist schon klar. Es sei denn, wir würden die künstliche Intelligenz so weit entwickeln, dass die Digitalisierung dazu führt, das wir gemacht werden. Und es gibt ja ernst zu nehmende Wissenschaftler die sagen – wie zu Beispiel Jaron Lenier: Wir sind gar nicht die Kunden der großen Konzerne Facebook, Amazon und so weiter, sondern wir sind deren Produkt.

 

Sprecher

Die digitale Welt wurde hier nach Ihrem Vortrag kontrovers diskutiert. Und die hält ja auch im Bildungswesen Einzug. Freier Zugang zu Wissen im Word Wide Web ist ein weiteres Stichwort. Ist das eine Möglichkeit, um die ungleichen Bildungschancen aufzuheben?

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Wir haben ja schon einen sehr großen Unterschied in der Nutzung des Internet. Diejenigen, die das Internet in der Tat konstruktiv und als Informationsquelle benutzen, die das Internet mitgestalten, ist eine kleinere Gruppe. Im Vergleich zu denen, die das Internet als Kommunikationsmedium nutzen und sich auch den Regeln des Mediums unterwerfen. Von daher gibt es eine ganze Reihe erst zu nehmender Forscher, die einen Unterschied machen zwischen den Interagierenden und den Interagierten.

 

Sprecher

Digitale Bildungsmedien, künstliche Intelligenz. Eine Herausforderung für Bildungspolitiker und Pädagogen und letztlich auch für die Menschen, die auf irgendeine Art und Weise Bildung erwerben?

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Ich finde, dass ist zunächst einmal eine riesige Herausforderung für Ethiker. Weil wir der künstlichen Intelligenz ethische Entscheidungen nicht überlassen dürfen. Das beginnt jetzt im Moment schon bei der simplen Frage: Wird das Auto so gesteuert, das es dem einzelnen Fußgänger ausweicht, um ihn nicht zu überfahren? Dafür aber in den LKW reinfährt und die Insassen gefährdet? Oder ist das Auto so programmiert, das es auf jeden Fall die Insassen schützt, egal ob dabei irgend jemand überfahren wird?

 

Sprecher

Sie haben das Wikipedia als ein digitales Lexikon empfohlen. Meine Berufsgruppe im Journalismus sieht dieses Online-Lexika kritisch. Fakten und Fiktion liegen eng beieinander.

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Ich habe das empfohlen, um ganz einfach auch Meinungen mit zu gestalten und Themen mit zu beeinflussen. Ich stehe Wikipedia als solchem in der Tat genau so kritisch gegenüber. Da folge ich der Beurteilung von Jaron Lenier, der sagt: Es gibt keine Schwarmintelligenz. Es gibt nicht die Verbesserung der Intelligenz, wenn man Millionen dumme Beiträge zusammenfasst und sie plötzlich intelligent werden. Und es kann nicht so sein, dass der Einzelne, der eine superkluge, intelligente Idee hat, dadurch begrenzt wird, dass viele sagen: Das können wir aber nicht nach vollziehen.

 

Sprecher

Gibt es negtive Auswirkungen von Bildung und Wissen?

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Also wenn Herr Trump wirklich gebildet wäre, dann würde er bestimmte Dinge über andere Menschen nicht sagen. Weil zur Bildung gehört auch, dass man soziale Fähigkeiten hat. Das man auch in einer bestimmten Art und Weise ethisch aufgestellt ist. Das Zweite ist, ich würde einen Unterschied sehen zwischen Bildung einerseits und dem absoluten Machtwillen andere zu dominieren. Also wenn Bildung eine Bedeutung hat, dann hat sie auch im sozialen Sinne eine Bedeutung und trägt dazu bei, dass Menschen eben nicht unterdrückt werden.

 

Sprecher

Gibt es ein ideales Seminar, das die Lehrenden und Lernenden von einander profitieren läßt und gleichzeitig Spaß macht?

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Das erste ist Dialog. Also Lehrende sind keine Besserwisser, sondern sie tragen bei zur lehrhaften Selbstverständigung über das Dasein. Das heisst: Ich leiste einen Beitrag dazu, dass Andere anfangen, sich Gedanken zu machen. Deren Gedanken beeinflussen mich. Und in diesem Sinne ist es dialogisch. Und der zweite Begriff ist Mitwirkung. Bildung hat immer den Charakter von Selbstbildung. Es ist nie der Nürnberger Trichter, wo wir irgend etwas einfüllen. Sondern Anregungen, die Lehrende geben, werden von Lernenden aufgenommen, verändert, weiter entwickelt und wieder zurück gespiegelt. Und diese Form von Mitwirkung ist zentra, weil ansonsten Bildung nicht stattfinden würde.

 

Sprecher

Wir lernen durch das eigene Leben – wird gesagt. Durch die alltäglichen Erlebnisse lernt ein Individuum dazu und entwickelt sich. Ist dieses Alltagswissen heute noch von Bedeutung, wo doch für das berufliches Wissen und das Wissen um die Probleme der Welt ein viel höheres Bildungsniveau erwartet wird?

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Das hat zwei Aspekte, was Sie da ansprechen. Der eine Aspekt ist, dass man die Bürger in ihrem Alltagswissen ernst nimmt. Und da gibt es eine ganze Menge Ansätze, gerade in sozialen Projekten, die auf Teilhabe hin angelegt sind. Geschichtsschreibung eben auf der Ebene indivudeller Geschichten zum Beispiel. Und ich finde, dass es wichtig ist, dass an das auch hoch holt, rein holt: Du spielt eine Rolle – Du hast eine Bedeutung. Das Zweite ist, wenn man pädagogische Prozesse plant, dann tut man das, weil man den Lernprozess nicht dem Zufall überlassen will. Natürlich kommt man durch Teilhabe zum sozialen Umgang. Und durch Erfahrung kommt man zur Kenntnis. Aber wenn wir die Aspekte von sozialem Umgang und von Kenntnis nicht dem Zufall überlassen wollen, dann müssen wir sie verantwortungsbewusst planen: Und das ist eben die zentrale Herausforderung für Bildungsveranstaltungen.

 

Sprecher

Was haben Sie den heute auf diesem Seminar gelernt?

 

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Deller

Ich habe an zwei Stellen sehr viel gelernt. Das Eine ist noch einmal genauer hin zu schauen: Wer sind denn eigentlich die Teilnehmer in diesen Arbeiterbildungsveranstaltungen? Und das Zweite, das ich gelernt habe ist: Noch einmal neu darüber nach zu denken, ob meine Kritik an der Digitalisierung unserer Gesellschaft eher dazu angelegt ist, den Leuten Angst zu machen. Und ich da nicht meine Sorgen übertrage – und so etwas ist nie gut, weil meine Sorgen sind meine Sorgen. Aber sie könnten ein Ausgangpunkt sein. Weil ich vielleicht doch auf den Schultern von Riesen stehe und schon ein bisschen weiter gucke.

 

Interview Matthias Homey

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© Axel Gauster/Nell-Breuning-Haus

 

Sende-Manuskript

Interview von Axel Gauster (Radiofeature) mit Matthias Homey

in Herzogenrath/Deutschland Februar 2018

 

 

 

Sprecher

Nun sind hier ja Leute aus ganz unterschiedlichen Organisationen vertreten. Was können die hier denn lernen?

 

O-Ton Matthias Homey

Für uns ist wichtig, dass wir Verantwortliche von den Mitgliedszentren vom EZA-Netzwerk eingeladen haben, die aktiv involviert sind in die Planung, in die Vorbereitung und Durchführung von unseren Seminaren. Von daher möchten wir einfach die Gelegenheit geben, sich mit aktivierenden Mthoden, mit neuen Methoden auseinander zu setzen. Und es ist eben wichtig, dass es zwar verschiedene Mitgliedsorganisationen sind, aber das es Menschen mit demselben Profil sind.

 

Sprecher

Sagt Matthias Homey, Wissenschaftler des Europäischen Zentrum für Arbeitnehmerfragen EZA aus Königswinter. Es ist Veranstalter dieses Seminars in Herzogenrath im Februar 2018. Thema: Neue Wege gehen – neue Methoden in der Bildungsarbeit einsetzen.

Die Entwicklung im Bildungswesen in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ist rasant und sehr unterschiedlich. Die Digitalisierung aller Arbeits- und Lebensbereiche beschleunigt zusätzlich. Sind ihre Mitgliedsorganisationen auf dem gleichen Stand der Entwicklung?

 

O-Ton Matthias Homey

Ich glaube nicht, dass es auf eine gleiche Basis gebracht werden muss. Wir sehen, dass unsere Mitgliedszentren sehr unterschiedlich mit den neuen Medien umgehen. Das lässt sich aber nicht im klassischen Sinne sortieren. Wir haben nicht westeuropäische Länder, die da fortschrittlicher sind als mittel- und osteuropäische Länder. Sondern es gibt in jeder Region Europas Zentren, die sehr fortschrittlich sind. Die viel mit neuen Medien machen. Und eben auch solche, die weniger machen. Für uns ist einfach wichtig, dass Zentren, wenn sie neue Medien nutzen, sie eben das tun, um ihre Seminarergebnisse noch einmal weiter zu transportieren. Entweder im eigenen Land. Oder in die europäischen Institutionen. Oder auch in der eigene Organisation. Auch das ist wichtig.

 

Sprecher

Die EZA geben Hilfe und Anregungen, wie Seminare gestaltet werden.

 

O-Ton Matthias Homey

Wir betrachten uns als Lehrende und als Lernende. Es gibt auch Zentren, die in bestimmten Phasen in der Nutzung der neuen Medien fortschrittlicher waren als wir. Sei es auf Facebook, Twitter oder anderen Plattformen. Und auch wir nehmen dann gerne auf. Betrachten uns, wie überhaupt in unserer Bildungsarbeit, als Drehscheibe. Indem wir gute Ideen von der einen Organisation zu einer anderen Organisation transportieren. Von einem Land zu einem anderen Land. Und so profitieren eigentlich alle.

 

Sprecher

Im Sinne des großen Netzwerkes, das Sie ja betreuen.

 

O-Ton Matthias Homey

Ja ganz genau. Wir sind bewusst ein Netzwerk, was in nahezu allen europäischen Ländern, Ländern der EU und Ländern als Beitragskanditaten präsent ist. Wesentlicher Bildungsansatz von uns ist ja auch der Austausch und der Dialog. Wir machen weniger Seminare, in den denen vorne ein Referent steht. Der Lehrender ist. Und dann sitzen die Schülerinnen und Schüler dort und sind Lerndende. Ich benutze bewusst die Begriffe Schülerin und Schüler. Sondern bei uns sind auch die Teilnehmer Esperten. Die Erfahrungen einbringen können. Die Wissen einbringen können. Die so, in gewisser Weise, auch Co-Referenten sind.

 

Sprecher

Das ist ja eine muntere und differenzierte Diskussion hier. Was bedeutet das denn für die EZA an sich?

 

O-Ton Matthias Homey

Wir haben hier eben durch das Profil der Teilnehmer, dass sie Verantwortliche sind für das Bildungsveranstaltungen, einen besonderen Erfahrungsschatz in derDurchführung von Seminaren. Wir haben gesagt: Wir machen dieses Format des Kurses ganz bewusst mehrfach hintereinander. Wir waren ja hier im Nell-Breuning-Haus auch im Juni 2017 schon einmal. Und wir suchen uns jeweils eine etwas andere Zielgruppe aus unserem Netzwerk. Wir versuchen bewußt viele Sprachen anzubieten, damit jeder in seiner Sprache aktiv diskutieren kann. Und wir erhoffen uns so den Effekt, dass am Ende die Seminare erfolgreicher werden hinsichtlich Ergebnisorientierung. Und das wir eben besser zusammen arbeiten können. Sei es wir als EZA mit den Mitgliedszentren aber auch die Mitgliedszentren untereinander. Ich habe in diesen Tagen auch wieder viele Ideen für unsere Arbeit mitgenommen. Mich also auch wieder als Lerndender gefühlt.

 

 

Fotos: Axel Gauster © 2018 Nell-Breuning-Haus / Axel Gauster