Protokoll des zweiten Projektpartnertreffens

Gastgeber: Podkrepa, Bulgarien – Tagungshotel Cherno More Varna

Tagungsdatum: 07.-09.07.2020

 

Teilnehmer*innen

 

- 4 Vertreter*innen vom Nell Breuning Haus, Deutschland

- 8 Vertreter*innen der Confederation of Labour Podkrepa Sdruzhenie, Bulgarien

- 2 Vertreter des Pactul Regional Nord-Vest pentru Ocupare si Incluziune Sociala, Rumänien

- 1 Vertreter CSC Liege-Verviers-Ostbelgien, Belgien

- 1 Vertreter*innen Lietuvos Profesine Sajunga“Solidarumas“, Litauen

- 2 Vertreter*innen MTU Eesti Tookusimuste Keskus, Estland (nur zeitweise online zugeschaltet)

- 2 Vertreterinnen FIDESTRA, Portugal

 

Programm

 

07.Juli

Anreise bis 16:00 Uhr

ab 17:00 Uhr Come Together und Erfahrungsaustausch mit

anschließendem gemeinsamem Abendessen im Hotel

 

08.Juli

Grußworte vom Bürgermeister der Stadt Varna und vom stv. Gouverneur der Region Varna

 

a) Impuls und Diskussion mit "Faire-Mobilität"- München

Als inhaltlicher Einstieg wurde erneut das deutsche Projekt „faire Mobilität“

genutzt Diesmal wurde von einer Beraterin aus München konkret die Situation

der bulgarischen Wanderarbeiter in Deutschland beschrieben und durchkonkrete

Erfahrungen aus der Beratungsarbeit ergänzt.

 

Als Referentin stand uns in den ersten Stunden die Münchener Teamleiterin Frau Nadia Kluge zur Verfügung.

https://www.faire-mobilitaet.de/beratungsstellen/++co++73e6a5a4-f53c-11e1-a9ef-00188b4dc422

Frau Kluge berichtete vor allem über ein Geflecht von Werkverträgen,

Subunternehmen in mehreren Ebenen, Wechsel von Firmensitzen etc. Hier wurde

ein System geschaffen, das nur ein Ziel hat: Gewinnmaximierung auf Kosten von

Arbeitnehmer*innen.

 

Darauf aufbauend haben Veselina Starcheva (Podkrepa, Bulgarien) und Silviu

Ispas (PROIS, Rumänien) geschildert welche Effekte die Arbeitsmigration in

Entsendeländern hat. Hier wurde deutlich, dass in verschiedenen Berufsgruppen

(z.B. Bau und Pflege) eine qualifizierte Ausbildung in Rumänien und Bulgarien

erfolgt - aber nach der Ausbildung die jungen qualifizierten Arbeitskräfte

„verschwinden“ und in Westeuropa eine Arbeitsstelle suchen.

 

Neben diesen jungen qualifizierten Kräften gibt es eine weitere Gruppe, nämlich Menschen, die

aus Armut fliehen und hoffen im Westen so viel zu verdienen, dass sie ihre

Familie ernähren und unterstützen können.

 

Am Beispiel des Medizinsektors konnte uns die Krankenschwester und engagierte Gewerkschafterin Krasimira

Dimitrova die Bedeutung von „Fachkräftemangel durch Abwerbung“ deutlich

machen. Eine Zahl, die dies deutlich machen kann: In Luxemburg, Schweden,

Deutschland und Irland gibt es mehr als 1100 tätige Krankenpflegefachkräfte pro

100.000 Einwohner. In Bulgarien sind es unter 500 Fachkräfte pro 100.000

Einwohner und in Rumänien seien es sogar weniger als hundert. Nach Angaben

der bulgarischen Ärztekammer verließen zwischen 2015 und 2018 insgesamt

1.692 bulgarische Ärzte das Land. Ärzte müssen in Bulgarien weit über das

Pensionsalter hinaus arbeiten (z.T. noch mit 75 Jahren), um das

Gesundheitssystem zu erhalten.

 

In der Diskussion wurden auf die Frage „Warum wandert das medizinische Personal direkt nach den sehr guten Ausbildungen ab?“ von Frau Dimitrova diverse Gründe benannt: bessere Bezahlung, bessere

Karrierechancen, besserer Arbeitsschutz, fehlende technische Ausstattungen.

Eine Krankenschwester verdient durchschnittlich 500,- € mtl. (zum Vergleich:

Mindestlohn in Bulgarien liegt bei etwas mehr als 300,-€, der durchschnittliche

Mindestlohn beträgt 685,- €).

 

Zum Abschluss der Impulse konnten Maria Reina Martin (Fidestra Portugal und Sprecherin der PICOMI-Plattform von EZA) und Miroslav Dimitrov (Podkrepa, Bulgarien) noch einmal deutlich machen, dass

Arbeitsmigration häufig aus einem finanziellen Druck entsteht und die

Gesundheit der Arbeiter*innen stark beeinträchtigt wird (psychischer Druck,

langes Getrenntsein von Familie, fehlende soziale Strukturen im Arbeitsland,

mangelhafter Arbeits- und Gesundheitsschutz, Bezahlung nach Leistung („krank

sein gibt es nicht“), fehlende Aufklärung und Begleitung).

 

b) weitere Absprachen zu Projekt

- das NBH wird ein Positionspapier für Frau Verheyen erstellen und anregen ein

Gespräch mit weiteren Parlamentariern zu organisieren (Ziel: 11/2020 Papier/ Anfang 2021 Gesprächsrunde)

- die bereits fertiggestellten Länderberichte wurden kurz vorgestellt und werden

bis zum Treffen in Tallin vom NBH aufbereitet und zusammengeführt. Eine

Veröffentlichung soll dann im November erfolgen.

- die CSC wird mit dem EGB das Gespräch suchen um die Frage einer

europäischen Mitgliedschaft zu erörtern (ein bulgarisches Gewerkschaftsmitglied

müsste auch Rechtsberatung in Belgien bekommen, wenn er dort arbeitet)

- das NBH nimmt Kontakt zur Europäischen Arbeitsbehörde (European Labour

Authority, ELA) auf und regt eine Einbindung ins Projekt an.

- PROIS nimmt Kontakt zur GEPO (Groupe Européen de Pastorale Ouvrière) auf

und regt eine Einbindung ins Projekt an.

 

 

10.07.2020

Rainer Rißmayer (Nell-Breuning-Haus)